Tageszeitung in Südkorea: Blatt kämpft gegen politischen Druck

Die Zeitung „Kyunghyang Shinmun“ setzt sich für eine Annäherung an den nördlichen Nachbarn ein. Unter Konservativen gilt sie als linkes Kampfblatt.

Chefredakteur Leon Park steht im Newsroom seiner Tageszeitung „Kyunghyang Shinmun“.

Die Redaktion ist basisdemokratisch organisiert, einen Chefredakteur gibt es aber schon: Leon Park im Newsroom. Foto: Fabian Kretschmer

SEOUL taz | Was das Besondere der Kyunghyang Shinmun ausmache? Leon Park deutet schweigend auf die ausgebreiteten Tageszeitungen auf seinem Schreibtisch: Auf allen Titelseiten prangt das Foto von einem Kampfjet, der soeben von einem Flugzeugträger abhebt. Die konservativen Chefredakteure der Konkurrenz machen mit den US-südkoreanischen Militärübungen auf. Nur auf dem Titel der Kyunghyang Shinmun sind die Studentenproteste gegen die Regierung zu sehen. Die Regierung will Schülern ein staatliches Geschichtsbuch vorsetzen. Dagegen wehren sie sich.

Leon Park ist Mitte fünfzig und kein Chefredakteur, der die Zeitung auf Gutsherrenart führt. Das hört man schon an seiner bedachten Wortwahl. Sein Büro kommt ohne die typischen Machtinsignien aus, die sonst die südkoreanischen Chefetagen zieren: ein schlichter Schreibtisch, die Glastür zum Newsroom sorgt für Transparenz. Statt eines Jacketts trägt Park ein schlichtes Fleece-Shirt.

Stolz sei man darauf, sich als einziges Leitmedium prominent für die Rechte von Homosexuellen einzusetzen, sagt er. Die Kyunghyang plädiere außerdem für eine friedliche Annäherung mit dem nördlichen Nachbarn und gegen die Todesstrafe. Das reicht bereits aus, um in der konservativen Gesellschaft Südkoreas als linkes Kampfblatt verschrien zu sein.

Leon Park sieht das ganz anders: „Wenn man sich bei den Journalisten nicht einmischt, was sie schreiben, werden sie automatisch sehr kritisch. Wir sind eine liberale Zeitung.“ Für diese Freiheit nähmen die Journalisten geringere Löhne in Kauf. Das taz-Konzept, könnte man sagen.

Glücksfall für 200 Journalisten

Die Regierung inseriert indes lieber in handzahmen Publikationen, und der Samsung-Konzern offenbart seine Informationen exklusiv unter wohlgesinnte Wirtschaftsjournalisten. Die Kyunghyang indes steht meist an vorderster Front, wenn es darum geht, einen Skandal der Wirtschaftsunternehmen aufzudecken. „Wir unterhalten ausgezeichnete Kontakte zu den Gewerkschaften“, sagt Park.

Als der Chefredakteur vor 25 Jahren beim Blatt anfing, war die 1946 gegründete Zeitung noch fest im Besitz der Hanhwa-Gruppe, einem der großen Chaebols des Landes. So werden die familienbetriebenen Wirtschaftsriesen Südkoreas genannt, die die Ökonomie des Landes am Han-Fluss antreiben.

Fast jedes große Medienunternehmen ist eng mit einem der Chaebols verflochten. Erst mit der Asienkrise zog sich das Unternehmen, dem die Kyunghyang gehörte, aus dem Zeitungsgeschäft zurück. Die Publikation stand damals kurz vor dem wirtschaftlichen Aus. Aus heutiger Sicht kann man sagen: Es war ein Glücksfall für die über 200 Journalisten. Seitdem werden das Gros der Unternehmensanteile von den angestellten Redakteuren gehalten und der Vorstand wird alle drei Jahre basisdemokratisch gewählt. Bei der Besetzung des Chefredakteurspostens haben die Journalisten ein Vetorecht.

Seoul als Bildungsstätte für deutsche Verleger

Die Kyunghyang zählt trotz einer täglichen Auflage von 300.000 Exemplaren nicht zu den einflussreichsten Zeitungen des Landes. Die Printlandschaft Südkoreas wird von drei wertkonservativen Blättern mit einer vorwiegend älteren Leserschaft dominiert. Ihre Vormachtstellung ist jedoch angezählt.

„Tatsächlich verlieren alle Tageszeitungen durch die Bank Abonnenten – und zwar wesentlich schneller, als wir das alle erwartet hätten“, sagt Kim Eun-mee, Kommunikationswissenschaftlerin an der Seouler Nationaluniversität.

Im technikaffinen Südkorea, dem Land mit den schnellsten Internetverbindungen der Welt, schreitet der digitale Wandel schneller voran als anderswo: In den U-Bahnen schauen die Fahrgäste auf tabloidartige Smartphones, Zeitungsleser hingegen sind vom Aussterben bedroht. Wenn deutsche Verleger den digitalen Wandel verstehen wollen, buchen sie eine Bildungsreise nach Seoul – wie zuletzt Kai Diekmann im Winter 2014.

Erfolglose Einschüchterungsversuche

Gleichzeitig ist die Medienkrise auch eine Krise der Glaubwürdigkeit: Advertorials – also von Anzeigenkunden bezahlter, aber von der Redaktion produzierter Inhalt – sind ein großes Problem, ebenso wie die wirtschaftliche Dominanz der Chaebols und politische Einschüchterungsversuche durch die Regierung. Unter der konservativen Regierung von Lee Myung-bak und der derzeit amtierenden Park Geun-hye rutschte Südkorea im Index der Pressefreiheit auf den 60. Platz ab.

Gerade die junge Generation folgt lieber alternativen Onlineportalen oder Podcastformaten. Außerdem finanzieren über 31.000 Abonnenten das Crowdfunding-Projekt Newstapa: einer Investigativplattform, deren Redaktion von Journalisten geleitet wird, die in den letzten Jahren wegen zu kritischer Berichterstattung ihren Job verloren hatten.

Den steigenden politischen Druck bekommt auch die Kyunghyang Shinmun zu spüren. Direkte Interventionen gebe es aber nicht mehr, sagt Chefredakteur Park. „Mittlerweile traut sich niemand mehr, direkt bei uns anzurufen – weil das am nächsten Morgen in der Zeitung stehen würde.“

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