Kleinbauer gegen RWE vor Gericht: Die Opfer der Erderwärmung

Ein peruanischer Kleinbauer verklagt den Energiekonzern RWE. Wenn er Recht bekommt, könnte sich einiges ändern.

Im Nationalpark Huascarán bei Huaraz schmelzen die Gletscher und das Wasser bahnt sich seinen Weg zu den Einwohnern Foto: reuters

BERLIN taz | Es geht auf dem Papier nur um 20.000 Euro – aber tatsächlich um ein Billionending. Am Dienstag hat beim Landgericht Essen ein peruanischer Kleinbauer gegen den Energiekonzern RWE Klage erhoben, um Schaden durch den Klimawandel von seinem Eigentum abzuwenden. Wenn er Recht bekommt, könnte das in Europa oder weltweit die Tür zu weitreichenden juristischen Ansprüchen gegen Unternehmen aufstoßen, die über ihre Emissionen den Klimawandel verursachen.

In seiner Klage fordert Saúl Luciano Lliuya, dass RWE einen Teil der Kosten zu Sicherung seines Eigentums übernimmt. Nach Angaben seiner Unterstützer von der Entwicklungsorganisation Germanwatch lebt Lliuya mit seiner Familie in der Stadt Huaraz in den Anden.

Oberhalb des Orts mit 55.000 Einwohnern haben in den vergangenen Jahren die schmelzenden Eismassen einen Gletschersee so weit anschwellen lassen, dass beim Durchbruch der Wassermassen eine Katastrophe droht – wie sie bereits 1941 passiert ist. Seit 2003 ist der See auf das Vierfache gewachsen, und das Notfallsystem funktioniert nach Angaben von Germanwatch nur mangelhaft.

Gletscherschmelze durch Erderwärmung

Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.

Um hier die Flutwelle zu verhindern, will der peruanische Kläger eine juristische Lawine lostreten. Denn für die Gletscherschmelze ist dem UN-Klimarat IPCC zufolge die Erderwärmung durch den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid verantwortlich. Und der Anteil von RWE daran, so argumentiert Lliuyas Hamburger Anwältin Roda Verheyen, betrage etwa 0,5 Prozent. Deshalb solle RWE auch 0,5 Prozent der Schutzmaßnahmen am Gletschersee bezahlen.

„Dies ist ein Präzedenzfall“, sagt Verheyen. Sie will erreichen, dass das deutsche Gericht feststellt, dass RWE dafür verantwortlich ist, Maßnahmen zur Beseitigung des Risikos für Lliuya zu bezahlen.

Für RWE wären das nur 20.000 Euro. Aber der juristische und politische Preis wäre immens, wenn sich der Peruaner durchsetzt. Denn bislang sind alle Versuche gescheitert, die Schäden des Klimawandels vor Gerichten einzuklagen. RWE sieht auch „keine rechtliche Grundlage für solche Ansprüche“, wie ein Sprecher erklärte.

„Keine Schauklage“

Der Konzern bezieht sich dabei auf einen Prozess, den 2013 die Stadt Kivalina in Alaska vor dem obersten Gerichtshof der USA gegen den Ölkonzern Exxon verloren hatte. Auch dort sollte ein Energiekonzern für Klimaschäden haftbar gemacht werden. Außerdem beruft sich das Unternehmen auf deutsche Urteile aus den 90er Jahren, in denen eine Haftung einzelner Unternehmen für Luftschadstoffe ausgeschlossen wurde. Dies müsse „erst recht für Treibhausgasemissionen und deren globale Wirkungen gelten“, erklärte RWE.

Für Christoph Bals von Germanwatch ist das „keine Schauklage. Wir wollen Lliuya zu seinem Recht verhelfen.“ Wirkungsvoller als eine Flut von Einzelklagen sei aber „die politische Wirkung eines solchen gewonnenen Verfahrens, das den Druck auf die Politik erhöht.“

Mit Lliuyas Verfahren greift zum ersten Mal ein privater Kläger in die Klimadebatte ein. Bislang sind alle Versuche gescheitert, Klimaschutz vor Gericht zu erreichen. So hat der Inselstaat Tuvalu 2002 angekündigt, die USA und Australien zu verklagen, aber nie die Gerichte angerufen. Eine ähnliche Klage gegen den Ölkonzern Exxon wurde in den USA abgewiesen, und auch Mikronesien war erfolglos beim Versuch, ein Kohlekraftwerk in Tschechien zu verhindern. Ebenso erfolglos hat der Inselstaat Palau 2011 den Internationalen Gerichtshof mit der Frage beschäftigt, ob Staaten zum Klimaschutz verurteilt werden könnten.

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