Kommentar zur Wahl in Venezuela: Nicht das Ende der Geschichte

Der Chavismus hat das Vertrauen der Mehrheit der VenezolanerInnen verloren. Doch die Opposition bietet auch keine Alternativen.

Nicola Maduro steht vor Ölgemälden und hebt die Arme

Der Präsident bekommt ordentlich Gegenwind von der Opposition. Ob sich etwas ändert, ist unklar. Foto: reuters

Das war eine krachende Wahlniederlage der Regierungspartei bei den Parlamentswahlen in Venezuela am Sonntag. Zum ersten Mal seit dem ersten Amtsantritt von Hugo Chávez vor 16 Jahren haben die Protagonisten der „bolivarischen Revolution“ und des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ keine Mehrheit mehr in der Bevölkerung finden können. Unabhängig davon, ob die Opposition nun eine ausreichende Mehrheit hat, um Verfassungsänderungen durchzusetzen und die Absetzung des Präsidenten Nicolás Maduro auf den Weg zu bringen oder nicht – das Ergebnis zeigt in jedem Fall, wie gründlich der Chavismus das Vertrauen der Mehrheit der VenezolanerInnen verloren hat.

Denn es gehört schon eine ganze Menge Frust dazu, um dieser Opposition die Stimme zu geben, die außer ihrer Gegnerschaft zur Regierung und einem – berechtigten – Lamento der schrecklichen Lage des Landes kaum alternative Ideen vorzubringen hat.

Beide Seiten, und das ist ein wichtiger Teil des venezolanischen Trauerspiels, haben für Dialog und Kompromiss nicht viel übrig, für normale demokratische Machtwechsel noch weniger. Wer eine Revolution ausruft, sieht das eigene Herrschaftssystem als vorläufigen Endpunkt einer historischen Entwicklung – und die Opposition als zu bekämpfende Konterrevolution, nicht als Teil der Demokratie. Und die Opposition, die jetzt vom „Anfang vom Ende des Chavismus“ spricht, hat noch nie wirklich akzeptiert, dass der Chavismus von einer Bevölkerungsmehrheit gewählt und eineinhalb Jahrzehnte lang demokratisch bestätigt wurde. Der Putschversuch 2002 sprach da Bände.

Das von Hugo Chávez begonnene linke Projekt hat letztlich nie eine wirklich über die Verteilung der Erdölrenditen hinausgehende Idee entwickelt. Das war kein Sozialismus des 21. Jahrhunderts, nicht einmal ansatzweise. Venezuela braucht eine starke Linke. Eine Erneuerung wird an der Macht nicht möglich sein. Präsident Maduro sollte zurücktreten.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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