Stromverbrauch von Solaranlagen: Eon zählt gern doppelt

Solaranlagenbesitzer fühlen sich vom Konzern schikaniert: Für kaum messbaren Verbrauch sollen sie hohe Gebühren zahlen.

Ein Hausdacht ist mit einer Solaranlage bestückt

Wieviel wird hier wohl für den Stromverbrauch der Solaranlage an Eon abgedrückt? Foto: reuters

BERLIN taz | In der Werbung präsentiert sich der Energiekonzern Eon derzeit als bester Freund aller Solaranlagenbetreiber: Die „Eon Solarprofis“ versprechen, Photovoltaik-Anlagen „in Top-Form“ zu halten, um „enorme Geldeinbußen“ für die Betreiber zu verhindern.

In der Praxis empfinden viele Solaranlagenbesitzer Eon allerdings eher als Feind, der ihnen enorme Geldeinbußen beschert. Denn das Unternehmen besteht darauf, dass der minimale Stromverbrauch der Anlagen mit einem eigenen Zähler erfasst wird – und verlangt dafür hohe Gebühren. Experten halten das für unzulässig.

Hintergrund des Streits ist die Tatsache, dass die Wechselrichter, die den Gleichstrom aus der Solaranlage in Wechselstrom für das Netz umwandeln, oft auch dann einen minimalen Stromverbrauch haben, wenn die Sonne nicht scheint. Diese Energie wird dann aus dem Netz bezogen. Je nach Modell sind es 0,4 bis 4 Kilowattstunden pro Jahr. Der Wert dieses Stroms liegt bei 10 Cent bis 1 Euro. Doch um diesen kleinen Betrag abrechnen zu können, stellt Eon als Grundversorger den Betreibern seit Kurzem zusätzlich eine Grundgebühr in Rechnung, die bei 70 bis 100 Euro im Jahr liegt. Die Wirtschaftlichkeit der Anlagen sinkt dadurch deutlich.

Betroffene wie etwa Stefan Seltmann aus dem niedersächsischen Bassum halten das Vorgehen von Eon und seinem Netzbetreiber Avacon nicht nur für „völlig unverhältnismäßig“, sondern auch für unzulässig. Und zumindest für Fälle, in denen eine Rechnung geschickt wurde, obwohl der Zähler überhaupt keinen Verbrauch anzeigte, verzichtet Eon neuerdings auf die geforderte Grundgebühr – nachdem einzelne Solaranlagenbetreiber sich vor Gericht gewehrt hatten.

Die Politik hat auch Schuld

In Fällen, in denen mindestens 1 Kilowattstunde Strom pro Jahr fließt, besteht das Unternehmen jedoch auf der Gebühr – teilweise mit rabiaten Mitteln: Kunden, die nicht zahlen, wird angedroht, ihre Solaranlage komplett vom Netz zu nehmen. Dabei sieht sich das Unternehmen im Recht. „Die Eon-Netzbetreiber halten sich an die Vorgaben der Bundesnetzagentur und der Schlichtungsstelle Energie“, sagte Eon-Sprecher Alexander Ihl der taz. Diese gingen davon aus, dass ein Liefervertrag zustande komme, auch wenn der Verbrauch nur „geringfügig“ ist.

Das ist allerdings eine recht einseitige Interpretation der Vorgaben der Bundesnetzagentur. Sie hält es bei kleinen Solaranlagen nämlich weiterhin für zulässig, auf den zusätzlichen Zähler zu verzichten. Stattdessen könne der vom Wechselrichter verbrauchte Strom abgerechnet werden, indem er vom Strom abgezogen wird, den die Solaranlage einspeist; so haben es in der Vergangenheit auch die Eon-Netzbetreiber praktiziert. „Nur wenn der Netzbetreiber einen Zwei-Richtungs-Zähler einbaut, ist es Vorschrift, auch minimale Strommengen abzurechnen“, so Sprecher Michael Reifenberg.

U. Sieverding, Verbraucherzentrale

„Eon geht völlig unverhältnismäßig auf die Betreiber los“

Verbraucherschützer werfen dem Stromkonzern darum „Schikane“ vor und vermuten rein finanzielle Interessen hinter der Regelung. „Eon geht bei verzweifelter Suche nach neuen Geschäftsmodellen völlig unverhältnismäßig auf Solaranlagenbetreiber los“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Eine Mitschuld sieht er auch bei der Politik, die dieses Vorgehen ermögliche. „Die Tatenlosigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums, das seit Langem um diese Problematik weiß, ist genauso skandalös wie die Verweigerungstaktik von Eon.“

Manche Experten gehen noch weiter und halten das Vorgehen von Eon und seinen Netzbetreibern insgesamt für unzulässig. „Die minimalen Strombezüge stehen ausschließlich mit dem Erhalt der Einspeisungsbereitschaft im notwendigen Zusammenhang“, argumentiert etwa Rechtsanwalt Patrick Schweisthal, der den Solarenergie-Förderverein berät. Darum müssten sie vom Netzbetreiber selbst bereitgestellt werden.

Energie-Gutachter Johannes Lackmann meint, dass normale Zähler für die minimalen Strommengen gar nicht geeignet sind. „Der Messfehler ist bei solch kleinen Leistungen um ein Vielfaches höher als der zu messende Wert“, schreibt er in einer Stellungnahme für einen Streit zwischen einem Photovoltaik-Besitzer und dem Eon-Netzbetreiber Avacon. „Der Zähler ist also vollkommen ungeeignet, solch kleine Stand-by-Verbräuche zu messen.“

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