Frauennationalelf vor Länderspiel: Stille Wandlung

Mit dem letzten Länderspiel des Jahres beginnt für die Frauen-Auswahl bereits der Neustart. Das Olympia-Jahr 2016 wird Änderungen bringen.

Schnupperkurs: Steffi Jones (l.) soll Sivia Neid nach den Olympischen Spielen ablösen Foto: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | Vor Anpfiff dürfte es rührig werden. Bevor in Duisburg heute das Freundschaftsspiel zwischen den Frauen-Nationalmannschaften von Deutschland und England angepfiffen wird (18 Uhr/live ARD), steigt die wohl größte Ehrungszeremonie in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs. Zum einen erhalten Nadine Angerer und Celia Sasic große Blumensträuße, weil beide ihre Karriere aus unterschiedlichen Motiven nach der WM in Kanada beendeten. Aber ihnen gehört die Aufmerksamkeit nicht allein: Insgesamt werden 21 Nationalspielerinnen geehrt, die mehr als 100 Länderspiele bestritten haben.

Vor einem Jahr kam das Uefa-Exekutivkomitee auf die fixe Idee, Gedenkkappe und Medaille zu verteilen. Weil DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg das allein gar nicht schaffen können, hilft die ehemalige Bundestrainerin Tina Theune. Zu den Geehrten zählen auch die aktuelle Bundestrainerin Silvia Neid und ihre neue Co-Trainerin Steffi Jones, die jeweils 111-mal das Nationaltrikot trugen. Eine Gemeinsamkeit als Sinnbild.

Wenn die Neuauflage des kleinen WM-Finales – England siegte damals in der Verlängerung nicht unverdient mit 1:0 – gespielt ist, wird das nächste Jahr im Zeichen der Übergabe stehen. Nach den Olympischen Spielen wird Jones dann die Verantwortung von Neid übernehmen.

Derzeit absolviert Jones als zweite Assistentin noch eine Art Schnupperkurs. Interessant ist, was hinter den Kulissen läuft. Die als DFB-Direktorin arbeitende Jones steht in engem Austausch mit DFB-Sportdirektor Hansi Flick, denn der Leitfaden für den männlichen Bereich soll spätestens beim Einzug in die neue DFB-Akademie auch fürs weibliche Segment gelten. Die 42-Jährige stellte bereits klar: „Es soll keine Parallelwelt entstehen.“ Genau diesen Vorwurf erhoben Kritiker wie Bernd Schröder (Turbine Potsdam) immer wieder.

Neue Kriterien für die Spielerinnenauswahl

Während unter Neid mit Torwarttrainer Michael Fuchs nur ein Mann fest installiert ist, wird die Nachfolgerin in ihrem Assistentenduo „einen Mann und eine Frau“ (Jones) dazunehmen. Die Namen sind noch geheim. Alsbald sollen „Handschrift und Philosophie“ sichtbar werden. Jones’ Leitsatz: „Ich bin offen für Neues und Veränderungen.“

Die gebürtige Frankfurterin, die sich wegen ihrer Vita und ihrer Rolle als OK-Präsidentin der Frauen-WM 2011 viel mehr als ihre Vorgängerin als Weltbürgerin sieht, wird womöglich vermehrt ins Ausland schauen. Und sie wird ihre Spielerinnen nach anderen Kriterien auswählen (müssen).

Gegenüber der Partie vom 4. Juli im zugigen Betonoval von Edmonton werden in der überdachten MSV-Arena mindestens fünf Positionen neu besetzt sein. „England hat eine beeindruckende Entwicklung genommen, ich erwarte eine hochklassige Begegnung“, sagt Neid, für die Jones im Alltag der Frauen-Bundesliga bereits auf Beobachtungstour geht. „Ich sichte für ‚Silv‘, aber auch persönlich für mich“, so Jones. Und: „Ich schaue jeden Montag alle Spiele auf Video an“.

Der Wille zu Veränderungen kann nur helfen. Das Olympische Turnier soll als Bindeglied dienen, um die sportlich wertlose Qualifikation für die EM 2017 in den Niederlanden zu überbrücken. Aber es muss bis ins Halbfinale gehen, um ins Olympische Dorf in Rio de Janeiro einziehen zu dürfen –ansonsten laufen die Spiele unter dem öffentlichen Radar.

Bei der WM auf kanadischem Kunstrasen stellten die USA, Frankreich und Japan die taktisch flexibleren und technisch reiferen Teams. Der vierte Platz gab den Leistungsstand ziemlich gut wider. Mittlerweile haben alle erkannt, dass Reformbedarf besteht. Die Verbandsseite, weil auch bei den Nachwuchsteams die einst so stolze schwarz-rot-goldene Vormachtstellung bröckelt. Die Vereinsseite, weil der amtierende Meister in der Champions League bereits ausgeschieden ist, und Trendsetter wie Frankfurt und Potsdam in der Bundesliga schwächeln.

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