Argentinien nach der Wahl: Wieder Amnestie für Folterer?

Die konservative Zeitung „La Nación“ fordert ein Ende der Menschenrechtsprozesse gegen Militärs – einen Tag nach der Präsidentschaftswahl.

Viele Menschen auf einer Straße, die ein mehrere Meter langes Transparent tragen, auf dem Schwarz-Weiß-Fotos von Menschen sind - eine Gedenkveranstaltung für Opfer der argentinischen Militärdiktatur

Tausende fielen der argentinischen Militärdiktatur zum Opfer (Gedenken 2011). Foto: imago/Xinhua

BUENOS AIRES taz | Kaum war am Sonntag in Argentinien entschieden, dass mit Mauricio Macri ein Rechter ins Präsidentenamt einziehen wird, warf die rechtskonservative Tageszeitung La Nación ihre Druckmaschinen an. Unter dem Titel „Nicht noch mehr Rache“ veröffentlichte das Flaggschiff der konservativen Presse ein Editorial, in dem es die Einstellung der Prozesse wegen der Menschenrechtsverbrechen während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 forderte. „Die Wahl einer neuen Regierung ist der geeignete Moment, um die Lügen über die 70er Jahre zu beenden“, so die Unterzeile.

Die Veröffentlichung sorgte in der Belegschaft von La Nación für heftigen Wirbel. Öffentlich sprach sich ein Teil noch am gleichen Tag dagegen aus: „Die Arbeiter des Tageszeitung La Nación sagen Ja zur Demokratie, zur Fortführung der Prozesse wegen Menschenrechtsverbrechen und wir sagen Nein zum Vergessen.“ Ein Foto zeigt hunderte Mitarbeiter, die auf Plakaten das Editorial zurückweisen.

Nach dem Amtsantritt von Präsident Néstor Kirchner im Mai 2003 war die juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen wieder in Gang gekommen. 2005 wurden die beiden Amnestiegesetze aufgehoben, die Militär und Polizei vor Strafverfolgung geschützt hatten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation CELS wurde seither gegen 2 071 Personen ermittelt, 370 Angeklagte zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt.

Für den größten Teil der argentinischen konservativen Mittel- und Oberschicht wurden und werden diese Prozesse als Rache der in den 1970er Jahren unterlegenen linken Bewegungen interpretiert, die mit der Kirchner-Regierung ihren späten Sieg feierten. Für sie sind die 1970er Jahre ein Teil des Kriegs gegen eine kommunistische Subversion, die damals die Freiheit bedrohte und bekämpft werden musste. Das Verständnis dafür, dass es sich dabei um, wie es Präsident Néstor Kirchner 2004 sagte, Staatsterrorismus handelte, ist ihnen fremd.

„La Nación“

„Vorfälle der 1970er Jahre wurden von der Linken umgedeutet“

So heißt es im Editoral: „Die tragischen Vorfälle der 1970er Jahre wurden von der Linken umgedeutet, die ideologisch mit den terroristischen Gruppen verbandelt ist, die hier mit Waffen, Bomben und zellenartiger Vernetzung gemordet haben, die sich in nichts von denen unterscheiden, die in Paris am Freitag, den 13. die Welt erschütterten. Diese Linke, mit der früheren und jetzigen wahren faschistischen Grundeinstellung, hat sich von Beginn der Kirchner-Regierungen an des offiziellen Propagandaapparats bemächtigt.“

Mauricio Macri hatte sich am Montag ebenfalls zu den Prozessen geäußert. Er werde garantieren, „dass die Justiz die Unabhängigkeit bekommen werde, um ihre Aufgabe fortführen zu können“. Bei der Menschenrechtsanwältin Myriam Bregman schrillten dabei die Alarmglocken. „Macri weiß, dass diese Haltung Straflosigkeit bedeutet.“ Eine Justiz, die noch immer ihre Seilschaften mit den Verbrechern unterhält, wird diese laufen lassen, fürchtet Bregman.

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