Megasmog in China: Der Nordosten versinkt im Nebel

Hochöfen aus, Fabriken dicht – die Regierung in Peking tut einiges, um dem Dauersmog Einhalt zu gebieten. Warum das trotz allem nichts nützt.

Motorradfahrer mit Mundschutz vor vernebelter Stadtsilhouette

Macht zwar keinen Spaß bei der Luft, geht aber schneller als Radfahren. Foto: ap

PEKING taz | Viele Menschen in Chinas Nordosten hatten gedacht: Smog-Tage mit Extremwerten gehören der Vergangenheit an. Nachdem die Feinstaubwerte im Winter 2013 bei dem 40-fachen des Grenzwerts lagen, hat die Regierung Tausende Fabriken und Hochöfen schließen lassen und Millionen Kohleheizungen verboten. Das sollten die miese Luftqualität im smoggeplagten Land lindern.

Und tatsächlich war die Luft in diesem Jahr in China so sauber wie seit Jahren nicht. Doch zum Winterbeginn kehrt Ernüchterung ein: Am Sonntag lag die Luftverschmutzung in einigen Städten im Nordosten Chinas sogar so hoch wie seit Beginn der Aufzeichnung nicht.

Den amtlichen Statistiken zufolge kletterten die Feinstaubwerte in Changchun, der Provinzhauptstadt von Jilin, auf 860 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In Shenyang, der Hauptstadt der Nachbarprovinz Liaoning, lag der Wert bei über 1.200 Mikrogramm. In einigen Regionen wurden sogar über 1.400 Mikrogramm gemessen. Die ganze Region versank auch am Montag unter einer gelbgrauen Dunstglocke. Die Sicht liegt zum Teil bei unter fünf Metern.

Gemessen werden die Feinstaubpartikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer (PM2,5) sind. Sie gelten als besonders gefährlich. Denn sie können beim Atmen bis in die Lungenbläschen und die Blutlaufbahn geraten und Krebs auslösen. Unterschiedlichen Studien zufolge ist die schwere Luftverschmutzung in China für über eine Million Todesfälle im Jahr verantwortlich, darunter Herzversagen, Schlaganfall und Lungenkrebs.

Ursache für eine Million Todesfälle

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass bereits ab 25 Mikrogramm Feinstaub die Gesundheit beeinträchtigt werde. Werte, die über 300 liegen, gelten als gefährlich. Der offizielle Index der chinesischen Behörden reicht bis 500.

Als offizielle Begründung wird der Beginn der Heizperiode genannt. In China wird rund zwei Drittel der Energie nach wie vor durch Verbrennung von Kohle gewonnen. Die Stadt Shenyang wollte das Heizungssystem eigentlich erst ab dem 15. November nach und nach einschalten. Doch ein plötzlicher Kälteeinbruch am Wochenende habe es notwendig gemacht, sämtliche Anlagen schon jetzt einzuschalten, heißt es in einer Stellungnahme der Stadtverwaltung.

Die Bürger sind entsetzt: Bei Smogwerten von über 300 sei Peking wie in dem Horrorfilm „Silent Hill“, schreibt die Bloggerin Qian Zhou. „Werte von über 1.400 sind der Weltuntergang.“ Im chinesischen Staatsfernsehen wird eine 14-jährige Schülerin auf den Straßen von Shenyang gezeigt, die auf dem Weg zur Schule über brennende Augen, Halsschmerzen und Kopfschmerzen klagt. „Aus dem Haus treten ist wie gegen eine Betonwand rennen“, bloggt TiayJinYou, ebenfalls ein Bewohner von Shenyang.

Die Stadtverwaltung der Fünfmillionenmetropole Changchun rief dazu auf, möglichst wenig Zeit im Freien zu verbringen und umweltfreundliche Verkehrsmittel zu nutzen. Auch kündigte sie an, dass Fabriken abgeschaltet und Baustellen geschlossen würden.

„Nutzlose Gegenmaßnahmen“

Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bezeichnete derartige Dringlichkeitsmaßnahmen angesichts des Ausmaßes als „nutzlos“ und zitierte einen Anwohner: „Man geht los und kauft sich eine Atemmaske. Zugleich weiß jeder, dass das nichts hilft. Wir sind diesem Gift hilflos ausgesetzt.“

Chinesische Meteorologen befürchten, dass dem Osten Chinas auch in den nächsten Monaten quälend lange Tage mit Smog bevorstehen. Denn das Klimaphänomen El Niño, das in diesem Jahr besonders ausgeprägt ist, sorgt in Ostasien für wenig Wind und Regen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Witterung es nicht schaffen werde, die Abgase aus den Städten zu blasen.

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