Feuertod von Oury Jalloh: Mord doch möglich

Zehn Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh gibt es neue Zweifel an der Selbstmordthese. Ein Gutachten der Staatsanwaltschaft steht aus.

Kerzen und Bilder zum Gedenken an Oury Jalloh.

Viele Fragen, wenig Antworten: Gedenken an Oury Jalloh an seinem zehnten Todestag im Januar 2015. Foto: dpa

BERLIN taz | Kürzlich stand der Fall noch Pate für den ARD- “Tatort“. Jetzt kehrt der Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle in die Realität zurück. Am Dienstag legte die Gedenkinitiative an Jalloh neue Gutachten vor. Diese sollen die Mordthese – zehn Jahre nach Jallohs Tod – stützen.

Der aus Sierra Leone stammende Jalloh war 2005 festgenommen worden, weil er alkoholisiert Frauen belästigt haben soll. Nachdem er sich wehrte, wurde er in einer Zelle an Händen und Füßen an eine Matratze gefesselt. Ermittler kamen zu dem Ergebnis, dass Jalloh dort mit einem Feuerzeug, das von Polizisten bei der Durchsuchung übersehen worden war, die Matratze anzündete und verbrannte.

Daran nähren die Gutachten jedoch Zweifel. Die Initiative hatte mit Spenden drei Experten beauftragt, nochmals alle Unterlagen zum Fall zu analysieren. Der Londoner Brandsachverständige Iain Peck verwies darauf, dass das gefundene Feuerzeug trotz des starken Feuers relativ unbeschädigt gewesen sei und keine DNA von Jalloh enthalten habe. Daher sei dieses beim Brand „eher nicht in der Zelle gewesen“. Wurde es also nachträglich dort platziert?

Auch, so Peck, müsse die feuerfeste Matratze mehrere Zentimeter aufgetrennt worden sein, um die Füllung zu entzünden. Für den gefesselten Jalloh sei dies aber „sehr unwahrscheinlich“ möglich gewesen. Nach allen vorliegenden Informationen sei es daher „wahrscheinlicher, dass eine dritte Person das Feuer entzündet hat“. Also die Polizei?

Gutachter Iain Peck

„Wahrscheinlicher, dass dritte Person das Feuer entzündet hat“

Es sind keine klaren Antworten, aber viele Fragen, die die Gutachten aufwerfen. Der kanadische Pathologe Alfredo Walker bemerkt, dass der enorme Brandschaden so sonst nur bei Wohnungsbränden auftrete, wo Mobiliar sich mit entzünde. Die Zelle aber sei bis auf die Matratze steril gewesen. Das stützt ein Gutachten, das die Initiative bereits 2013 erstellen ließ: Darin wurde mittels Brandversuchen festgestellt, dass die starke Verkohlung von Jallohs Körper nur mit Brandbeschleuniger möglich gewesen sei.

Genau das schließt die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau am Dienstag erneut aus. „Alle unsere Gutachten haben keine Hinweise auf Brandbeschleuniger gefunden“, betont der ermittelnde Staatsanwalt Olaf Braun. Man werde die neuen Gutachten aber „ergebnisoffen“ mit den bisherigen Ermittlungen abgleichen. In mehreren Gerichtsprozessen wurde eine Fremdbeteiligung an dem Tod Jallohs nicht nachgewiesen. Ein Dessauer Polizist wurde aber wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau leitete bereits 2013 ein Ermittlungsverfahren ein und beauftragte eigene Gutachter, um nochmal die Todesursache Jallohs zu prüfen. Die Ergebnisse sollen bis Jahresende vorliegen. Braun ließ seine Zweifel an der Mordthese aber bereits durchscheinen: „Das würde einen riesengroßen Korpsgeist innerhalb der Polizei bedeuten.“

Genau den hält die Gedenkinitiative für möglich. Für Sprecher Thomas Ndindah ist die Selbstmordthese durch die neuen Gutachten „im Kern widerlegt“. Sein Mitstreiter Moctar Bah, einst mit Jalloh befreundet, glaubt dennoch nicht an schnelles Ende der Aufklärung. „Unsere Arbeit wird noch lange weitergehen. Aber wir geben nicht auf.“

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