Ausstellung im Hamburger Kunstverein: Der beiläufige Schrecken

Die Schau „Malerei, böse“ dreht sich nicht um das Genre an sich. Es behandelt konkrete Bildinhalte und deren gesellschaftliche Konnotation.

Bilder hängen an der Wand

Die kampferprobten Heldinnen des Berliner Künstlers Martin Eder. Foto: Kunstverein Hamburg

Diese Ausstellung bleckt die Zähne. Sie vollzieht keine intellektuellen Experimente, setzt nicht auf erklärintensive Konzeptkunst, sondern geht nah ans Gefühl, an den Mainstream und die Grenzen des guten Geschmacks.

„Malerei, böse“ heißt die aktuelle Schau im Hamburger Kunstverein, die mit „böse“ das individuell Inakzeptable meint – sei es aus ethischen, sei es aus stilistischen Gründen.

Anders als ein Großteil der aktuellen, auf der Metaebene operierenden Malerei-Ausstellungen will diese hier Bildinhalte untersuchen. Ziel ist, herauszufinden, wie es um die vermeintlich leichte Rezeption dieses Genres bestellt ist, das sich, obwohl oft totgesagt, hartnäckig hält und auf Auktionen immer noch die größten Erlöse erzielt.

In der Tat fühlt man sich vor den Kopf gestoßen, wenn man im elitär-minimalistisch eingerichteten Hamburger Kunstverein die hoch kitschigen Mittelalter-Maiden Martin Eders vorfindet: altmeisterlich perfekt gemalt, blicken einem Heroinen in Ritterrüstung entgegen, die gut das Cover eines Fantasy-Romans zieren könnten.

Reflexion leistet allein der Ausstellungskontext

Bilder wie diese werden massenhaft verbreitet, und es ist schon eigenartig, dass das 21. Jahrhundert eine Epoche verherrlicht, in der Frauen so wenig Rechte hatten. Fast scheint es, als würden die wenigen erfolgreichen Frauen des Mittelalters zu Vorbildern verklärt.

17. Oktober 2015 bis 10. Januar 2016, Kunstverein Hamburg

Aber nicht nur diese Idee ist Kitsch, auch die an die Präraffaeliten erinnernden Gemälde sind es, und sie reflektieren ihre eigene Haltung nicht: Das leistet allein der Ausstellungskontext.

Bewusst oberflächlich dagegen die surrealen, mit maskenartigen Figuren dekadent daherkommenden Bilder Bernhard Martins. Egomanische Rauchende, Gähnende, Essende hat er nebeneinander gesetzt, wie auch George Grosz es tat. Martins Thema ist der Schein – der Gesellschaft und des Kunstbetriebs, der großenteils von der Pose lebt und vielleicht nicht einmal einen Subtext birgt.

Märtyrerin Madonna

Explizit bringt das Dawn Mellor auf den Punkt: „Strike a Pose“ heißt ihr neoexpressionistisches Bild, auf dem – angelehnt an ein Propagandafoto einer chinesischen Plakatwerkstatt – Arbeiterinnen Liedzitate der Pop-Ikone Madonna malen. Madonna selbst wird von Pinseln durchbohrt, als seien es Pfeile. Das ist eine Anspielung auf den heiligen Sebastian, einen christlichen Märtyrer des Mittelalters.

Pop- wie Hochkultur werden ausgeschlachtet, vervielfältigt, wobei die Provokation dieses Bildes überraschenderweise in der Parallele zwischen Madonna und dem Märtyrer liegt. Dabei ist die Härte, mit der Presse heute Ikonen zerstiebt, nichts gegen die physische Brutalität des Mittelalters.

Bleibt noch die von der Schau intendierte ethische Entrüstung. Diesen Part spielt Lydia Balke, die fünf Massenmörder porträtierte: keine deutschen, damit man sie nicht sofort erkennt, aber der Schock wirkt. Denn obwohl man den Unterschied zwischen Ethik und Ästhetik kennt: Ist es statthaft, solche Menschen so aufwändig und handwerklich perfekt zu porträtieren und salonfähig zu machen? Oder ist solch ein Bild die längst fällige Integration des Bösen zurück in die Gesellschaft?

Kunst und Verbrechen

„The Killer in me is the killer in you“ lautet eine Zeile aus dem Song „Disarm“, nach dem das Werk benannt wurde, und genau deshalb hat sich die Künstlerin mit aufs Bild gemalt: Künstler und Verbrecher folgten einer Obsession, sagt sie, und seien durchaus verwandt. Und der Betrachter gleich mit, und das gefällt ihm nicht.

Eine subtilere Ästhetisierung des Bösen versucht Birgit Brenner, die die Gleichzeitigkeit von „Gut“ und „Böse“ in eine gemeinsame Narration fasst. Herausgekommen sind aquarellartige Bildchen, die man ins Wohnzimmer hängen könnte – wären darauf nicht Panzer-Modelle zu sehen. Oder der Schriftzug der Nobelmarke „Prada“ neben kleinen Berichten von Migranten über Details ihrer Flucht.

Wieder zerstört die Malerei ihre eigene, vermeintlich leichte Rezipierbarkeit, wieder werden ästhetische Technik und schockierender Inhalt gegeneinander geschnitten. Das ist Verdienst der Malerei, dazu braucht man keine Installation und kein 3-D. Sondern nur den ganz beiläufigen Schrecken, provoziert durch das Bild von nebenan.

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