Neues Stadtmagazin „München ist Dreck“: Schmutz für München

Ein neues Stadtmagazin will ein Forum für Abseitiges bieten. Es ist aber nicht ganz so provokant und laut, wie es gern wäre.

"München ist Dreck", erste Ausgabe

Dreck, gedruckt. Foto: André Habermann/neolyd.com

Das Oktoberfest und der FC Bayern. Horrende Mieten und ein knitterfreies Stadtbild. Dreck aber ist so ziemlich die letzte Assoziation, die München hervorruft. Wohl deshalb bleibt der Name im Ohr, unter dem dort seit Oktober ein neues Stadtmagazin erscheint: München ist Dreck.

Veronica Burnuthian ist das nur recht, schließlich hat sie das Magazin initiiert, um gehört zu werden. „Dreck ist für mich ein Synonym für Subkultur“, sagt die 25-Jährige und meint damit Kunst, die außerhalb etablierter Kulturhäuser entsteht. Diese wird von der bayerischen Landeshauptstadt mehr erduldet als geliebt, so ihr Eindruck: „Man muss hier ständig um Aufmerksamkeit und Räume kämpfen, die Stadt nimmt ihre Künstler nicht wirklich wahr.“

München ist Dreck soll Kreativen nun eine Plattform bieten, soll ein Forum sein für alles Abseitige und Ungemütliche. Seit fünf Jahren lebt die gebürtige Brüsselerin in München, studiert Kommunikationsdesign und spielt selbst in mehreren Punk- und Noise-Bands. Im März hat sie den ersten Aufruf zu München ist Dreck gestartet, hat auf Flyern und Social-Media-Plattformen um MitstreiterInnen geworben.

„Lass uns die Stadt mit Kultur zerstören“ oder „weniger Luxusscheiß“, so die Aufrufe. Worüber man in München halt schimpft: zu hohe Mieten, zu wenig Off-Spaces, zu sauber und reglementiert alles. Dazu postete Burnuthian beschaulich Provokantes. Das Foto eines „Anti-Gentrifizierungs-Kits“ etwa, mit Einwegspritze und einem Tütchen Fake-Heroin. Zum Verteilen in Hauseingängen, um Investoren fernzuhalten. Ein Antigestus, der in München hervorsticht. Und funktioniert: Innerhalb weniger Wochen hatte sich eine Blattmacher-Guerilla von etwa 20 Musikern, Grafikern und Autoren gefunden, die an dem Heft mitarbeiten. „Wir wollen zeigen, was die Leute hier alles machen, dass sehr wohl etwas passiert in der Stadt“, sagt Veronica Burnuthian.

Ein Blog ist nicht genug

München ist Dreck hat einen dokumentarischen Anspruch. Die MacherInnen wollen Chronisten ihrer Szene werden. Aber wäre ein Blog da nicht einfacher? „Schon, aber wir wollten etwas machen, bei dem man Bock hat, es in der Hand zu halten.“

Das ist ihnen gelungen: Die erste Ausgabe kommt ziemlich chic daher. Im A3-Format mit einem Cover aus Wellpappe, in das der Heftname gelasert ist. Dahinter 32 Seiten, auf denen jedem Text, jeder Fotogeschichte ein eigenes Layout verpasst wurde. Mit ganzseitigen, farbintensiven Bildern und einer Ästhetik, die mal an Fanzines, mal an Kunstmagazine erinnert. Zudem sind alle Exemplare handnumeriert. Viel Aufwand für eine 1.000er-Auflage. Deshalb auch der stattlichen Preis von 10 Euro.

Inhaltlich geht es weit weniger scharfkantig zu, als der Name vermuten lässt. Es ist ein, ja doch, liebevoller Themenmix, wobei die meisten Geschichten um Musik kreisen. So werden auf zwei Seiten die elegant-minimalistischen Konzertplakate des Siebdruckkünstlers Simon Marchner vorgestellt. Eine Reportage zoomt in die Underground-Szene Sapporos, während ein Porträt den Lärmvirtuosen Anton Kaun würdigt. Ein prosaisches Format beschreibt dagegen Entfremdungsmomente an Supermarktkassen und im Entertainment-Wirrwarr der Großstadt.

Drei Ausgabe pro Jahr

Laut wurde München ist Dreck angekündigt, das fertige Heft ist dagegen deutlich leiser. Die Lust am subkulturellen Treiben wird zur Selbstbehauptungsgeste. Drei Ausgaben sollen pro Jahr erscheinen, Geld verdienen wollen die Macher damit nicht. „Was reinkommt, stecken wir in den nächsten Druck“, sagt Burnuthian, „und wenn was übrig bleibt, laden wir Bands aus anderen Städten ein.“

Den Vertrieb übernehmen sie selbst. Das Heft liegt in Münchner Plattenläden und Museumsshops aus, die Musiker im Team werden es außerdem bei Konzerten verkaufen. Alles Reservate, in denen Subkultur ohnehin stattfindet. Ob München ist Dreck damit jenes Publikum erreicht, von dem sich die Macher zu wenig beachtet fühlen, ist fraglich.

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