Bio in Bremen ohne Mitbestimmung: Betriebsrat-Zoff beim Bioladen

In einer Bremer Filiale der Biokette Alnatura scheiterte die Wahl eines Betriebsrates – an der Geschäftsführung, so der Vorwurf mehrerer Angestellter.

Angestellte in einem Alnatura-Laden

Bei Alnatura soll ein „anderes“ Wirtschaften möglich sein, meint der Gründer – in Bremen meint anders ohne Betriebsrat. Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa

BREMEN taz | Fairtrade-Kaffee, Bio-Schokolade und Nachhaltigkeitsprinzip: Wenn es um die Außenwirkung geht, setzt die Bio-Supermarktkette Alnatura voll auf den Gutfühl-Duft eines „anderen“ Wirtschaftens.

Glaubt man jedoch dem Bericht mehrerer MitarbeiterInnen aus Bremen, so sieht das nach Innen etwas anders aus: Am vergangenen Donnerstag wollten sie in der Filiale in der Faulenstraße auf einer Versammlung eine Betriebsratswahl organisieren. Doch das Einsetzen eines Wahlvorstandes scheiterte – Filialleitung und Vorgesetzte hätten die Wahl hintertrieben, so der Vorwurf der MitarbeiterInnen.

Schon als Mitte Oktober zu der Versammlung aufgerufen wurde, habe das bei der Filial- und der Gebietsleitung für Aufregung gesorgt, sagte Alnatura-Mitarbeiterin Kai Wargalla der taz. Die Studentin ist politisch bei den Grünen aktiv und hat in der Filiale in der Faulenstraße einen Nebenjob. In den Tagen vor der Versammlung hätten die Vorgesetzten in Mitarbeitergesprächen ihren Unmut über die Idee eines Betriebsrat geäußert.

Als dann am Donnerstag der Wahlvorstand gewählt werden sollte, habe der Gebietsleiter von Alnatura die ganze Zeit vor der Tür gewartet – anders als das Team der Filialleitung gilt er offiziell als „leitender Angestellter“ und darf er an der Wahl nicht teilnehmen. Ein Mitglied der Filialleitung sei in der Pause nach draußen gegangen, um sich mit ihm abzusprechen, behaupten mehrere Mitarbeiter.

Als die Wahlzettel ausgeteilt werden sollten, seien aus dem Team der Filialleitung dann noch drei weitere Kandidaten aufgestellt worden. Danach seien auf die einzelnen WahlvorstandskandidatInnen zu wenige Stimmen entfallen – das Vorhaben scheiterte. „Die Wahl wurde durch taktische Spielchen verhindert“, kritisierte Wargalla.

Netto-Umsatz von 689 Millionen Euro
Stefanie Neumann, Alnatura

„Interessenvertretungen bilden sich, wenn das Gefühl überwiegt,dass die Interessen der Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtigt werden.“

Sandra Schmidt, Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di in Bremen, bestätigte der taz die Vorwürfe. „Wir lassen derzeit prüfen, inwiefern durch den Gebietsleiter die Wahl beeinflusst wurde und ob wir arbeitsrechtliche Schritte einleiten“, sagte Schmidt. Einen Wahlvorstand für die Betriebsratswahl wolle man nun mit Hilfe des Arbeitsgerichtes einsetzen lassen. Das Vorgehen Alnaturas beschrieb die Gewerkschafterin als „Umarmungstaktik“. „Vordergründig ist man freundlich, aber hintenrum versucht man, einen Betriebsrat zu verhindern“, sagte Schmidt. „Bei einem Unternehmen wie Alnatura hätte ich das nicht erwartet.“

Ein Mitarbeiter der Filiale, der anonym bleiben möchte, berichtete der taz, dass sich der Umgangston bei Alnatura sehr verschlechtert habe. „Es gibt deutlich mehr Druck von oben“, sagte er. In den letzten Wochen seien MitarbeiterInnen entlassen oder versetzt worden. Auch deshalb sei die Idee eines Betriebsrates entstanden. Die Filiale in der Faulenstraße in Bremen hat 22 MitarbeiterInnen – ab einer Größe von 20 Angestellten hat ein Betriebsrat das Recht, bei Versetzungen und Einstellungen mitzuwirken.

Laut Unternehmensangaben machte Alnatura im Geschäftsjahr 2013/2014 einen Netto-Umsatz von 689 Millionen Euro. Bundesweit gibt es mittlerweile 98 Filialen – darunter nur eine mit einem Betriebsrat. Einen Gesamtbetriebsrat gibt es nicht. Der wäre erst möglich, wenn in einer weiteren Filiale ein Betriebsrat hinzukäme – wie es nun in Bremen der Fall wäre.

Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann erklärte, die Mitarbeiter in Bremen hätten sich „gegen die Wahl eines Betriebsrats ausgesprochen“. Grundsätzlich stehe man dem Wunsch „natürlich nicht entgegen“. In Firmen, in denen „die Mit-Gestaltung der Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitslebens“ sei, entstehe „eher selten das Bedürfnis nach einem Betriebsrat“, behauptete Neumann. „Interessenvertretungen bilden sich dann, wenn das Gefühl überwiegt, dass die Interessen der Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dass dies jetzt in Bremen nach Auffassung einiger Mitarbeiter der Fall ist, bedauern wir sehr.“

Ähnlich hatte Alnatura argumentiert, als 2010 bekannt wurde, dass MitarbeiterInnen teilweise unter Tarif bezahlt wurden. Nach Medienberichten lenkte das Unternehmen damals ein und glich die Löhne dem Tarif an. Offiziell tarifgebunden ist Alnatura laut Gewerkschaft Ver.di aber bis heute nicht. Bundesweit sehen Gewerkschafter in dem Bereich noch Nachholbedarf. „In der Branche der Bio-Supermärkte gibt es nur vereinzelt Betriebsräte“, sagte Ver.di-Sprecherin Eva Völpel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.