Debatte Krieg im Jemen: Tödliche Einmischung

Der Konflikt im Land hat sich mit der Intervention Saudi-Arabiens zu einer regionalen Auseinandersetzung entwickelt. Mit katastrophalen Folgen.

Jemenitische Kämpfer stehen neben einer Minensammlung

So schnell wird es im Jemen nicht ruhig: Minensammlung in der Provinz Marib. Foto: dpa

Die Ereignisse im Jemen spitzen sich zu. Unter der Führung Saudi-Arabiens fliegt eine Koalition arabischer Staaten heftige Luftangriffe, während eine Offensive mit Bodentruppen eingeleitet wurde. Erklärtes Ziel ist die Wiedereinsetzung des umstrittenen Präsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi.

Ende September kehrte dieser aus seinem saudi-arabischen Exil zurück, wenngleich vorerst nur in die Hafenstadt Aden im Süden des Landes. Vor einem halben Jahr floh Hadi, nachdem im Januar die Huthis, eine Rebellenorganisation aus dem Norden Jemens, zuvor die Hauptstadt Sanaa und weite Teile des Landes eroberten.

Seit Anfang des Jahres lässt Saudi-Arabien die Huthis aus der Luft bombardieren und errichtete zudem eine Seeblockade. Jemen wurde weitestgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Neben Waffen werden auch Lebensmittel und Medizin kaum ins Land gelassen, was eine drastische Verschärfung der humanitären Situation bewirkte.

Die Intensität der Luftschläge, die sich auch gegen Wohngebiete richten, nahm in den vergangenen Wochen zu. Erhebliche zivile Opfer waren die Folge. Schätzungen gehen insgesamt von mehr als 4.500 Toten seit März aus. Der Vorwurf von Kriegsverbrechen steht im Raum.

Wie im Irak und Syrien zahlt auch im Jemen die Bevölkerung den Preis für den Konflikt

Die vierte Haupstadt Irans

Saudi-arabische Waffenlieferungen an Gruppierungen und Stämme im Süden Jemens, die den Huthis feindlich gesonnen sind, führten dazu, dass diese wichtige Gebiete verloren. Im August schickte Saudi-Arabien auch Bodentruppen, die sich derzeit rund einhundert Kilometer östlich der Hauptstadt Sanaa konzentrieren. Eine Bodenoffensive gegen Sanaa wäre der nächste Schritt.

Auf den ersten Blick scheint der Konflikt im Jemen ein weiterer Schauplatz des regionalen Ringens zwischen Iran und Saudi-Arabien zu sein. Als Zaiditen gehören die Huthis einer schiitischen Konfession des Islam an. Iran begreift sich als Vormacht aller Schiiten, und in Teheran tönte gar ein Parlamentsabgeordneter, mit Sanaa würde Iran nach Bagdad, Beirut und Damaskus nunmehr die vierte arabische Hauptstadt kontrollieren. Entsprechend bekämpfe Saudi-Arabien die Huthis, um den iranischen Einfluss auf der Arabischen Halbinsel zurückzudrängen.

Tatsächlich ist der Konflikt jedoch komplexer. Eine Reduzierung auf die Formel iranisch-unterstützte Huthi-Rebellen gegen saudisch-unterstützten Präsidenten wird der Sache nicht gerecht. So schwelt der jemenitische Konflikt bereits seit einigen Jahren – primär als lokale Auseinandersetzung.

Rückblick: Bis zu dessen Abdankung 2012 unterstützte Saudi-Arabien über zwanzig Jahre Hadis Vorgänger im Präsidentenamt, Ali Abdullah Salih. Dieser regierte Jemen seit der Wiedervereinigung 1990 und stand zuvor bereits zwölf Jahre an der Spitze Nordjemens. Trotz demokratischer Ansätze war Salihs Herrschaft gekennzeichnet von einem eingeschränktem Machtmonopol, Klientelismus, Korruption und wiederholten Unruhen. Dass Salih Zaidit ist, schien für Riad kein größeres Problem zu sein.

Reformen blieben aus

2011 keimte, befördert durch die Aufstände in anderen Teilen der arabischen Welt, Protest gegen Salih auf. Auf Vermittlung des Golf-Kooperationsrats stimmte Salih schließlich einer Übergabe der Macht an seinen bisherigen Stellvertreter Hadi zu.

Mit Salihs Rücktritt erfolgte ein Wechsel an der Spitze des Systems. Politische und wirtschaftliche Reformen blieben jedoch aus. In der Folge verschärfte sich die bereits katastrophale wirtschaftliche Situation. Politische Machtkämpfe, die auch über die Einbindung von Stämmen ausgetragen wurden, eskalierten.

Die Huthis machten sich diese Gemengelage zunutze. Teils, um ein Vordringen von al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel zu unterbinden, teils, um ihre eigene Agenda durchzusetzen, begannen sie eine Offensive. Unterstützt wurden sie hierbei vom Expräsidenten Salih und dessen Anhängern.

Im September 2014 nahmen die Huthis Sanaa ein und drangen bis Anfang 2015 in den Süden vor. Die Opposition zu den Huthis – Anhänger des Präsidenten Hadi, die Islah-Partei, eine Vielzahl sunnitischer Stämme sowie der Al-Qaida-Ableger auf der Arabischen Halbinsel – zeigte sich gespalten.

Bis zu diesem Zeitpunkt, Anfang 2015, hatte der Konflikt primär einen lokalen Charakter. Zwar erhielten Huthi-Einheiten militärische Ausbildung sowie im beschränkten Umfang Waffen und finanzielle Unterstützung aus Iran. Die Huthis wurden jedoch nicht von Teheran kontrolliert. Im Gegenteil soll Iran US-amerikanischen Sicherheitskreisen zufolge den Huthis 2014 sogar davon abgeraten haben, in Sanaa einzumarschieren.

Seine dezidiert regionale Dimension erhielt der jemenitische Konflikt daher erst durch die von Riad angeführte Intervention. Die finanzielle und militärische Überlegenheit der saudi-arabischen Koalition, die insbesondere auch auf westliche Rüstungslieferungen zurückgeführt werden kann, ist unbestritten. Huthis, Salih-Anhänger und alle Stämme, die sich vor dem fürchten, was nach einem Sturz der Huthis kommen könnte, werden praktisch in die Hände Teherans getrieben.

Irans Einfluss nimmt eher zu

Iran wiederum zeigt sich vergleichsweise zurückhaltend. Eine umfassende Unterstützung der Huthis erfolgte auch nach der saudi-arabischen Intervention nicht. Teheran scheint offenbar keine Einwände dagegen zu haben, Saudi-Arabien tiefer in die komplexen Verstrickungen des jemenitischen Konflikts verwickeln zu lassen und dabei selbst am Rande zu bleiben.

Riad hingegen steht vor dem Trümmerhaufen der eignen Politik. Ein vollständiger Sieg gegen die Huthis scheint unwahrscheinlich. Irans Einfluss im Jemen nimmt eher zu als ab. Die saudi-arabische Armee scheint sich in einem langwierigen Guerilla-Konflikt zu verzetteln.

Den Preis für die Regionalisierung des Konflikts muss, wie in Irak und Syrien, die Zivilbevölkerung bezahlen. Für 25 Millionen Jemeniten heißt das: Die humanitäre Krise dürfte sich noch weiter verschärfen. Anlass für Hoffnung gibt es kaum.

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arbeitet für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Im Referat Naher/Mittlerer Osten und Nordafrika befasst er sich insbesondere mit Fragen von Außen- und Energiepolitik.

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