Mehr Flüchtlinge in Deutschland: Warum so überfordert?

In Deutschland leben derzeit 793.000 Flüchtlinge. Die Zahl ist gestiegen, aber kein Grund zur Überforderung: Vor 20 Jahren waren es noch viele mehr.

Menschen sitzen auf Stühlen auf einem Gang

Haben Platz in Deutschland: Geflüchtete in Berlin. Foto: dpa

BERLIN taz | Wieviele Flüchtlinge leben in Deutschland? Medien und Politiker bemühen häufig Bilder von Naturgewalten um den Anstieg der Flüchtlingszahlen zu beschreiben, und das ganze Land scheint von den vielen Ankommenden überfordert. Erst vergangene Woche gab Innenminister Thomas de Maizière spektakulär klingende Zahlen bekannt: 800.000 Menschen würden in diesem Jahr ankommen.

Dagegen sind andere Zahlen der Bundesregierung nüchterner. Regelmäßig fragt die Linkspartei ab, wieviele Flüchtlinge in Deutschland leben. Der Partei zufolge geht aus der jüngsten Antwort der Regierung (pdf) hervor, dass Ende Juni rund 745.000 Menschen in Deutschland Geflüchtete waren.

Sie sind entweder nach Grundgesetz oder Genfer Konvention geschützt, Kriegsflüchtlinge, oder sind noch im Asylverfahren oder können aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden (mehr Information über die verschiedenen Status). Hinzu kommen rund 48.000 Menschen, die laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zwar eingereist sind, aber noch keinen Asylantrag stellen konnten.

Es waren aber schon einmal mehr: 1997 lebten 1.050.000 Menschen als Flüchtlinge in Deutschland. Zehn Jahre später gab es in Deutschland nur noch gut 400.000 Flüchtlinge. Erst seit 2012 steigt die Zahl wieder. „Der langfristige Vergleich zeigt: Deutschland ist mit der menschenwürdigen Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen bei Weitem nicht so überfordert, wie derzeit von Medien und Politik suggeriert“, sagt Linke-Politikerin Ulla Jelpke.

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Seit Ende 2014 ist die Zahl der Flüchtlinge um 165.000 gestiegen, eine Zahl die wesentlich niedriger ist als die 227.000 Flüchtlingen, die laut BAMF in diesem Zeitraum registriert wurden. Für die Differenz gibt es mehrere Gründe – beispielsweise, dass Menschen abgeschoben wurden oder selbst ausreisten oder eingebürgert wurden oder durch Heirat mit Deutschen nicht mehr als Flüchtlinge gelten.

Schutzsuchende aus Nahost

Gestiegen ist in der ersten Jahreshälfte vor allem die Zahl der Menschen, die als Flüchtlinge laut Genfer Konvention geschützt sind – das heißt ihnen droht in ihrem Herkunftsland Verfolgung wegen „Rasse“, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugungen. Ihre Zahl stieg von 109.000 auf 145.000. Die Menschen kommen vor allem aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan.

Auch die Zahl der Menschen, deren Asylverfahren noch läuft, stieg von 178.000 auf 238.000. Die meisten dieser Menschen kommen aus Syrien, Albanien, Afghanistan, Kosovo und Eritrea. Laut BAMF stellten 179.000 Menschen zwischen Januar und Juni einen Antrag auf Asyl, das Amt bearbeitete in demselben Zeitraum allerdings nur 114.000 Anträge.

Für die zweite Jahreshälfte erwartet die Bundesregierung weitere 580.000 ankommende Flüchtlinge. Allerdings kann diese Zahl nicht einfach zu den jetzt in Deutschland lebenden Flüchtlingen addiert werden, denn bis Jahresende werden etliche Deutschland aus unterschiedlichen Gründen auch wieder verlassen – oder nicht mehr mit einem Status als Flüchtling hier leben.

(Hinweis zu fehlenden Jahren der Statistik: Die Zahlen werden von Die Linke seit 2006 abgefragt. Laut Linke wurden bei der ersten Anfrage auch die Zahlen der vorherigen Jahre erfragt, waren aber nicht verfügbar oder nur aufwändig zu rekonstruieren. Die Zahlen für 1997 gab es trotzdem.)

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