Verhandlungen über Investorenschutz: Auf geht‘s in die Paralleljustiz

Die EU-Kommission spricht mit mehr als 15 Staaten über den umstrittenen Investorenschutz. Die Linkspartei fordert den Stopp der Verhandlungen.

Heute so, morgen so: Investorenschutz nach Gabriel Foto: dpa

BERLIN taz | Die Linkspartei fordert, dass die Bundesregierung alle Verhandlungsmandate für die EU-Kommission über Freihandelsabkommen mit Investoren-Schiedsgerichten zurückzieht. Die Kommission hat den Auftrag, mit mehr als einem Dutzend Länder Gespräche über Verträge mit dem umstrittenen Investorenschutz zu führen.

Bei Handelsabkommen zwischen Staaten werden oft private Schiedsgerichte für den Fall vereinbart, dass Unternehmen ihre Interessen verletzt sehen. Diese Gerichte sind mit Anwälten besetzt, tagen nicht öffentlich und haben keine Revisionsinstanz. Der französische Konzern Veolia verklagt auf diesem Weg etwa Ägypten wegen Erhöhung des Mindestlohns, der Tabakkonzern Philip Morris Uruguay wegen einer Nichtraucherkampagne.

Erst durch die Proteste gegen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ist der breiten Öffentlichkeit überhaupt die Existenz dieser Paralleljustiz bekannt geworden. Für viele TTIP-GegnerInnen ist der geplante Investorenschutz der zentrale Punkt für die Ablehnung des Abkommens.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat die Kritik aufgenommen. „Private Schiedsgerichte wird es nicht mehr geben“, sagt er. Gabriel fordert stattdessen Gerichte mit öffentlich-rechtlichem Charakter, die sich zu einem internationalen Handelsgerichtshof entwickeln.

Kommission agiert mit Mandat der Mitgliedsstaaten

Aber: Aktuell verhandelt die EU-Kommission mit mehr als einem Dutzend Länder wie Japan, Thailand oder Tunesien über Handelsabkommen, die ebenfalls Investoren-Schiedsverfahren vorsehen. Sie hat dafür das Mandat der Mitgliedstaaten, also auch Deutschlands. Das geht aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Frage der Linksfraktion im Bundestag hervor. „Man wird das Gefühl nicht los, dass Wirtschaftsminister Gabriel einen an der Nase herumführt“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst.

Für TTIP fordere Gabriel Veränderungen bei den Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS), aber gleichzeitig seien Verhandlungsmandate für Abkommen in Kraft, die hinter seine Kritik zurückfallen. „Es darf nicht sein, dass die EU über diese Abkommen das alte ISDS-System zementiert“, sagte Ernst.

Das Bundeswirtschaftsministerium winkt ab. Der Kommission das Mandat für die Verhandlungen über private Schiedsstellen zu entziehen sei für ein Land nicht möglich, heißt es. „Das Mandat muss einvernehmlich von allen Mitgliedstaaten verändert werden“, sagte ein Sprecher.

De Frage des Verhandlungsmandats ist keine akademische. Anfang August haben sich EU-Kommission und Vietnam auf die Grundzüge eines Handelsabkommens verständigt. Darin ist ausdrücklich ein Investorenschutz vorgesehen, sagte ein Sprecher von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Unklar ist aber, wie der aussehen wird. Denn vor dem Hintergrund der Kritik an den privaten Schiedsgerichten bei TTIP arbeitet Malmström zurzeit an einem neuen Modell für den Investorenschutz. „Grundsätzlich soll der neue Ansatz für alle Abkommen gelten“, sagte der Sprecher.

Kritiker des Investorenschutzes sind skeptisch. „Es besteht die Gefahr, dass Malmström alte Dinge in neuer Verpackung vorlegt“, sagte Ernst-Christoph Stolper vom Bündnis „Stopp TTIP“. Ein echter Fortschritt sei dagegen, wenn es einen internationalen Gerichtshof geben würde, an dem nicht nur Unternehmen, sondern beispielsweise auch Menschenrechtsorganisationen klagen könnten.

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