Vereinbarkeit nur gut für Papas

Studie Männer sind Fans von Elternpolitik in der Firma. Kein Wunder: Sie schrauben ihre Arbeitszeit nur wenig zurück und erleben kaum schlechte Konsequenzen. Den Löwenanteil der Sorgearbeit tragen die Frauen – mit allen bekannten Nachteilen

Sind Frauen ängstlicher? Oder haben ihre Sorgen einen handfesten Hintergrund? Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

von Josephine Schulz

In der Rushhour des Lebens kommt vieles zusammen. Zwischen 25 und 40 wollen die Menschen im Job aufsteigen, eine Familie gründen, vielleicht die Welt bereisen und ein Haus bauen. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist fast unmöglich. Besonders die Vereinbarkeit von Job und Kindern bleibt eine Herausforderung. Familienfreundliche Angebote vom Arbeitgeber können da eine große Hilfe sein.

Eine Studie der Unternehmensberatung AT Kearney zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie kommt allerdings zu dem Schluss: Von den aktuellen familienfreundlichen Programmen in Unternehmen profitieren fast ausschließlich die Männer. „Politik und Wirtschaft haben berufstätige Väter als Zielgruppe entdeckt und dankbare Abnehmer gefunden“, sagt Martin Sonnenschein, Herausgeber der Studie. Viele Unternehmen würden ihre Maßnahmen explizit an die männliche Belegschaft richten.

Das zeigt offenbar Wirkung: 28 Prozent der Männer finden, dass sich die Familienfreundlichkeit in ihrem Unternehmen in den letzten zwölf Monaten verbessert hat, neun Prozent sehen eine Verschlechterung. Die Papas fühlen sich von ihren Chefs verstanden – zumindest ein großer Teil. „Familienfreundlichkeit bewegt sich zunehmend aus der Ecke der Frauenförderung“, so Sonnenschein.

Bei den Frauen allerdings kommt die „Familienfreundlichkeit“ weit weniger gut an. Sie seien eindeutig die Verlierer, sagt Sonnenschein. Denn sie übernehmen nach wie vor den Löwenanteil der Sorgearbeit. Zehn Prozent der Mütter finden, dass die Familienfreundlichkeit ihres Unternehmens im vergangenen Jahr gesunken ist, nur jede Zwanzigste bemerkte eine Verbesserung. Bei den 30- bis 39-jährigen ist die Unzufriedenheit noch größer. Die Mütter haben vor allem Angst, dass die Inanspruchnahme von familienfreundlichen Maßnahmen im Job Nachteile bedeutet. Sie fürchten, dass ihr Ansehen beim Chef gefährdet ist, dass sie weniger attraktive Aufgaben und weniger Geld bekommen. Väter haben diese Sorgen kaum.

Böse Zungen könnten nun behaupten, Frauen seien eben generell ängstlicher, Männer einfach sorgloser und selbstbewusster. Allerdings haben die Ängste der Mütter einen handfesten Hintergrund. Denn Frauen nehmen andere Maßnahmen in Anspruch, die weit stärkere Einschnitte im Berufsleben verursachen – längere Elternzeit, mehr Teilzeit. Väter machen stattdessen eher von Arbeitszeitkonten und flexibler Wochenarbeitszeit Gebrauch.

Für die Aufgabenverteilung zu Hause bedeutet das: Sie bleibt klassisch. Laut der Studie hat rund jede zweite Frau Erfahrungen mit Teilzeit, bei den Männern ist es nur jeder zehnte. Wenn das Kind da ist, treten die Mütter beruflich kürzer, die Männer höchstens ein bisschen. Das bestätigte erst kürzlich eine Allensbach-Studie: In Teilzeit arbeitende Männer mit Vollzeit berufstätigen Frauen sind Exoten. Die meisten Väter, die die Partnermonate beim Elterngeld nutzen, gehen höchstens zwei Monate in Elternzeit, jeder fünfte Vater nutzt das Angebot gar nicht.

Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit, bei den Männern ist es nur jeder zehnte

Für die Frauen wird mit der vereinbarten Arbeitsaufteilung oft die berufliche Zukunft entschieden, denn meistens bleiben Paare bei dem Modell, auf das sie sich nach dem ersten Kind geeinigt haben – selbst wenn die Männer eigentlich gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen und die Frauen lieber länger arbeiten würden.

Die Professorin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, sieht Handlungsbedarf: „Wir brauchen ein klar umrissenes politisches Modell.“ Im Moment stünden die Menschen vor einem Flickenteppich, würden vom Ehegattensplitting und dem Betreuungsgeld in die eine Richtung und von den Vätermonaten in die andere Richtung gelenkt. Allmendinger plädiert dafür, stattdessen grundlegende Probleme anzugehen: Die ungleiche Arbeitszeit von Männern und Frauen, ihre unterschiedliche Bezahlung und die unterschiedliche Belastung mit der Erziehungs- und Familienarbeit.

Die Politik könnte und müsste bei der Vereinbarkeit stärker nachhelfen, aber auch in den Firmen ist viel Luft nach oben, und das Label „familienfreundlich“ oft mehr Schein als Sein, meint Allmendinger. Viele Unternehmen gestatten ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität. In der Praxis heißt das dann: Ein bisschen später kommen und ein Stündchen früher gehen ist o. k., solange das Smartphone rund um die Uhr eingeschaltet und die Mails im Fünf-Minuten-Takt beantwortet werden. Das Resultat der „flexiblen“ familienfreundlichen Arbeitszeit sieht dann wenig familienfreundlich aus: Vierzig Prozent der Eltern erledigen einen Teil ihrer Arbeit in ihrer Freizeit.