Kommentar Kita-Tarifkonflikt: Eine Rebellion für die Kinder

Der Kita-Tarifstreit geht weiter. Es drohen neue Streiks. Eltern müssen das akzeptieren, wenn ihnen ihre Kinder lieb sind.

Drei Schatten zeichnen sich auf einer Wand voller Abdrücke von Kinderhänden ab.

Für die Eltern wären neue Streiks eine Zumutung. Am Ende profitieren sie aber davon. Foto: dpa

Das ist kein Warnruf mehr, sondern eine schrille Alarmsirene. Die Ergebnisse der Mitgliederbefragungen über die Schlichtungsempfehlung im Sozial- und Erziehungsdienst hätten eindeutiger nicht ausfallen können. Ob bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, beim kleineren Beamtenbund oder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: Die betroffenen Beschäftigten geben sich in ihrer übergroßen Mehrheit nicht zufrieden mit dem mickrigen Tarifabschluss, den die Schlichtungskommission vorgeschlagen hat.

Das ist ein deutliches Signal an die Arbeitgeber: Es ist höchste Zeit, den ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen die Anerkennung zukommen zu lassen, die sie verdienen. Wenn Betreuung, Bildung und Erziehung für die Städte und Gemeinden tatsächlich den hohen Stellenwert besitzen, der ihnen in Sonntagsreden zugewiesen wird, dann müssen sie auch in das dafür zuständige Personal investieren.

Aber das Ergebnis der Befragungen ist auch ein Desaster für die Gewerkschaften. Insbesondere die Verdi-Spitze, die bei den Verhandlungen die Federführung hatte, hat sich eine deftige Klatsche eingefangen: Sie hätte sich nicht auf einen solch faulen Kompromiss einlassen dürfen. Offenkundig funktioniert ihr innergewerkschaftlicher Seismograf nicht mehr. Sonst hätten Frank Bsirske & Co die tiefe Enttäuschung der Beschäftigten, die wochenlang aufopferungsvoll für die Aufwertung ihrer Berufe gekämpft haben, frühzeitig erkannt.

Es ist eine offene Rebellion: Trotz massiver Agitation des Hauptamtlichenapparats verweigert sich die Basis der Direktive und gibt nicht klein bei. Aber was macht nun eine Gewerkschaft, deren Mitglieder für einen besseren Abschluss kämpfen wollen, deren Führung aber keinen Bock mehr darauf hat? Die Frage stellt sich noch grundsätzlicher: Wie demokratisch ist Verdi? Wie ernst nimmt die Führung das Votum der Basis?

Eine Bewährungsprobe für den Verdi-Chef

Beim Poststreik hat es sich die Verdi-Spitze einfach gemacht: Bei ihrer jämmerlicher Kapitulation vor dem Postvorstand Anfang Juli fragte sie die betroffenen – und äußerst frustrierten – Postbeschäftigten erst gar nicht. In der Auseinandersetzung im Sozial- und Erziehungsdienst ist das glücklicherweise anders.

Die Verdi-Spitze hätte sich nicht auf einen solch faulen Kompromiss einlassen dürfen

Frank Bsirske steht die größte Bewährungsprobe seiner 14-jährigen Amtszeit bevor. Von einem „absolut klaren Signal“ und einem „eindeutigen Handlungsauftrag“ hat der Verdi-Chef nach der Streikdelegiertenkonferenz am Samstag gesprochen. Von den derzeit noch insgesamt knapp 2,1 Millionen Verdi-Mitgliedern wird er sich daran messen lassen müssen, mit welcher Entschlossenheit er die Tarifauseinandersetzung jetzt weiterführt.

Vielleicht holt er sich ja ein paar Tipps bei dem GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky, wie sich mit Ausdauer, Nervenstärke und notwendiger Konsequenz ein Arbeitskampf auch gegen größte Widerstände erfolgreich führen lässt.

Und die Eltern? Sie sind die Hauptleidtragenden dieses Arbeitskampfes. Selbstverständlich ist ein Kita-Streik für sie eine Zumutung. Aber so absolut verständlich ihr Unmut ist, wenn die Kita geschlossen bleibt: Ihren Protest sollten sie an die richtigten Adressaten richten. Es ist die Halsstarrigkeit der Städte und Gemeinden, die auf ihre Kosten geht. Die Kita-Beschäftigten nehmen nur ein Grundrecht war. Auch vielen Eltern dürfte bewusst sein, dass diejenigen, die ihre Kinder tagsüber betreuen, mehr verdient haben, als sie derzeit bekommen.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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