CDU-Mitglied über Gleichstellung: „Das letzte Feigenblatt“

Die lesbische-schwule Gruppe der CDU hat keine Lust, sich für die politische Linie der Partei zu rechtfertigen – und nimmt nicht an Christopher Street Days teil.

Teilnehmer des Christopher Street Day in Hamburg

Warben kurz vor der Bundestagswahl 2013 wohl nicht um Stimmen für die CDU: Teilnehmer des Christopher Street Day in Hamburg. Foto: dpa

taz: Ist es Ihnen manchmal unangenehm, dass Sie CDU-Mitglied sind, Herr Röbcke-Gronau?

Christian Röbcke-Gronau: Wenn ich auf Community-Veranstaltungen bin, teilweise schon. Mir war schon immer bewusst, dass Schwule und Lesben in der Union für Gleichstellung kämpfen müssen. Ich verstehe mich als Vermittler zwischen der Community und der Partei. Aber in letzter Zeit ist es mir zunehmend unangenehm, ja.

Wenn Sie sich als Vermittler verstehen, warum nehmen die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) dann nicht an den Christopher Street Days im Norden teil?

Weil wir finden, dass sich auf Bundesebene zu wenig für die Rechte von Schwulen und Lesben bewegt. Anstatt uns sollten diejenigen aus der Partei auf den CSD-Demos Rede und Antwort stehen, die sich gegen die Gleichsetzung hetero- und homosexueller Partnerschaften sträuben. Es ist nicht fair, dass wir als LSU die verbalen Prügel für diese Politik kassieren.

34, ist seit seinem 16. Lebensjahr Mitglied in der CDU. Der Vorsitzende des Regionalverbands Nord der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) arbeitet in einer Marketing-Agentur. Das LSU Nord hat rund 50 Mitglieder.

Sie wollen die Stadt- und Ortsverbände dabei unterstützen, einen Stand zu betreiben. Ist die CDU also doch beim CSD dabei?

Ich glaube nicht. Die Anmeldefrist ist abgelaufen. Die Resonanz war sehr gering.

Ist die Stimmung innerhalb der Szene so schlecht, dass Sie tatsächlich mit Anfeindungen rechnen?

Man muss das trennen. Von den Aktivisten aus der Szene, von den Grünen, den Schwusos der SPD und von den Verbänden erfahren wir viel Respekt dafür, dass wir uns engagieren. Aber von den Besuchern werden wir schon sehr stark angegangen und angefeindet. Das geht soweit, dass die Leute gar nicht mehr zuhören, sondern einfach nur pöbeln. Da können wir keine vermittelnde Rolle mehr einnehmen.

Was genau kritisieren Sie an der politischen Linie der CDU?

Ich kritisiere, dass sich die CDU nicht auf einen offenen Ehebegriff einlässt. Nach den letzten Äußerungen von Frau Merkel gehe ich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht und nicht das Parlament diese Situation auflösen wird. Das wäre schade, denn mein Verständnis von Politik ist, dass die Abgeordneten Gesetze selbst beschließen und nicht darauf warten, dass das Bundesverfassungsgericht entscheidet.

Warum tut sich die Partei so schwer?

Die Frage stellen wir uns häufiger. Es gibt in großen Flächenländern natürlich eine strukturkonservative Basis, die am Ehebegriff zwischen Mann und Frau festhält und ihn stark mit dem Thema Kinder verbindet. Die Parteispitze hat ein sehr wachsames Auge auf diese Basis, weil man sich in anderen Themenbereichen schon liberaleren, um nicht zu sagen sozialdemokratischeren Ideen angeglichen hat. Deswegen ist die Gleichstellung böse gesagt das letzte Feigenblatt des Konservatismus.

Hatten Sie selbst schon einmal Probleme in der CDU wegen Ihrer Sexualität?

Nein.

Was fordern Sie von der Parteispitze?

Sie muss eine offene Debatte zu diesem Thema zulassen und auch das Adoptionsrecht mit diskutieren. Ganz konkret wünsche ich mir natürlich die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Falls es da größeren Diskussionsbedarf gibt, könnte man in einem ersten Schritt zumindest die begriffliche Unterscheidung beibehalten. Aus materiell-rechtlicher Sicht müsste die Lebenspartnerschaft aber auf jeden Fall mit der Ehe gleichstellt werden.

Also ist die sprachliche Diskriminierung für Sie in Ordnung?

Nein, aber ich würde mich zunächst auf diesen Kompromiss einlassen.

Wäre es nicht sinnvoller, diese Forderungen öffentlich beim CSD zu vertreten, um die CDU unter Druck zu setzen, anstatt zu Hause zu bleiben?

Es darf nicht unsere Strategie sein, die Union einseitig unter Druck zu setzen. Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen und um Verständnis werben. Außerdem hat die Union nicht viel Interesse gezeigt, auf dem CSD vertreten zu sein. Dort Forderungen zu präsentieren, würde die Union nicht in Zugzwang bringen. Deshalb suchen wir die Diskussion.

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