Hamburger Flüchtlingspolitik: Mehr Personal fürs Abschieben

Zelte und Container für die Notunterbringung von Flüchtlingen werden knapp. Die Linke fordert, leere Büros zu nutzen. Rot-Grün stockt die Abschiebeabteilung auf.

Polizisten stehen auf einem Flughafen Demonstranten gegenüber

Könnte künftig häufiger passieren: Abschiebung in Hamburg-Fuhlsbüttel. Foto: dpa

HAMBURG taz | Der anhaltende Flüchtlingsstrom führt bei der Notunterbringung in Zelten und Wohncontainern zu ernsthaften Engpässen. Im Bundesgebiet herrscht laut Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) eine extreme Nachfrage und dementsprechend hohe Preise. Das macht sich auch in Hamburg bemerkbar. „Bei Zelten ist unser Lager erschöpft“, sagt Rainer Barthel, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes Hamburg, das gerade in Jenfeld auf einer Grünfläche 50 Zelte als Notunterkünfte für 800 Menschen errichtet hat. Die Linke will nun grundsätzlich Abhilfe schaffen und Flüchtlinge in leerstehenden Büros unterbringen.

„Wenn man nicht bis zum Winter leere Bürogebäude, Schulen oder Behörden zur Flüchtlings-Unterbringung umrüstet, steht ein Fiasko bevor“, sagt Christiane Schneider (Linke). Überwintern in Zelten sei menschenunwürdig und man müsse jetzt schon handeln. Darum verlangt die Linke vom rot-grünen Senat nun Auskunft darüber, wo es geeigneten Büroleerstand in der Stadt gebe, der zur provisorischen Unterbringung von Flüchtlingen geeignet sei und nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz beschlagnahmt werden könnte.

Private Eigentümer würden nach dem Polizeigesetz nicht enteignet, sondern der leerstehende Büroraum werde für die Allgemeinheit beschlagnahmt und die Eigentümer in Höhe des Verkehrswertes der Immobilie entschädigt. Ein solches Gedankenspiel hatte es bereits bei einem Senats- und Bezirkstreffen im September 2013 gegeben, konsequent weiter verfolgt wurde diese Idee aber nicht.

Zu Irritationen führte indes die Ankündigung von Innensenator Neumann und SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, die Abteilung, die sich in der Ausländerbehörde um Abschiebungen kümmert, von zehn auf 30 Mitarbeiter aufzustocken. Und das, obwohl es laut Dressel „kein Vollzugsdefizit gebe, da die Zahl der Rückführungen von 724 im Jahr 2013 auf 1304 im vergangenen Jahr gestiegen ist“.

In der Erstaufnahme für Flüchtlinge gibt es immer mehr Engpässe. Jeden Tag kommen laut Innenstaatsrat Bernd Krösser derzeit zwischen 200 bis 300 Flüchtlinge an.

3.000 Plätze in Wohncon­tainern sind laut Innensenator Michael Neumann (SPD) in der nächsten Zeit geplant. Zuletzt sind vorige Woche 2.300 Plätze für Flüchtlinge eingerichtet worden.

Eine Notunterkunft in Zelten ist in Wilhelmsburg gegen den Willen des Bezirksamts Mitte mit Polizeirecht durchgesetzt worden.

Zu Anwohnerprotesten kam es beim Aufbau einer Zelt-Notunterkunft im Jenfelder Moorpark. Die Anwohner waren nicht informiert worden.

„Es klemmt an allen Ecken und Enden, weil zu wenig Personal da ist, und ausgerechnet bei den Abschiebungen – da wird aufgestockt“, kritisierte Schneider. Teilweise dauere die Registrierung der Geflüchteten mangels Personal in der Erstaufnahme der Ausländerbehörde tagelang. Es dauere manchmal Wochen, ehe die Menschen das erste Taschengeld ausgezahlt bekämen.

Antje Möller von den mitregierenden Grünen hofft, dass die Personalaufstockung vornehmlich für den Bereich Beratung gelte. So könnten Menschen über die freiwillige Ausreise beraten werden, die keine Chance auf ein Bleiberecht haben. Die Zahl der freiwilligen Ausweisen sei doppelt hoch wie die der Rückführungen, sagt Möller. „Es darf aber nicht dazu kommen, dass die individuellen Gründe für eine Duldung nicht mehr beachtet werden.“

Gerade das befürchten der Flüchtlingsrat und die Linke. „Abschiebungen können nicht das Flüchtlingsproblem lösen“, sagt Martin Dolzer (Linke). Abzuschieben in ein Land wie Ghana, wo die Menschen sterben, sei inhuman. Die Aufstockung der Abschiebeabteilung sei eine Befriedung der Hardcore-Abschieber von AfD und CDU.

„Mit der personellen Aufstockung der Abschiebeabteilung ist endlich eine grundlegende Forderung von uns übernommen“, sagt Karin Prien (CDU). „Das muss jetzt aber auch zügig umgesetzt werden.“

Dolzer befürchtet hingegen die Renaissance der Abschiebehaft, wenn das in der vorigen Woche vom Bundestag verabschiedete „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ in Kraft tritt. Denn dann könnten alle Menschen, die illegal nach Deutschland einreisen, in Haft genommen werden – und das seien 95 Prozent der Schutzsuchenden. Seine Fraktionskollegin Schneider hat bereits eine Horrorvision vor Augen. „Die Gefahr besteht, dass bald statt Flüchtlingsunterkünfte wieder Abschiebeknäste gebaut werden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.