Brauerei in Griechenland: Hopfen und Malz sind nicht verloren

Der griechische Brauereiunternehmer Athanasios Syrianos hat Sympathien für den Linken Alexis Tsipras. Und seine Firma hat ein großes Problem.

Geschlossenes Gechäft Athen

Athen am 8. Juli 2015: Viele Geschäfte in der Innenstadt sind geschlossen. Foto: dpa

ATHEN taz | Das Geld belastet Athanasios Syrianos seit zehn Tagen. Täglich gehen große Summen auf den Konten seiner Brauerei ein, bis zu 400.000 Euro manchmal, stündlich werden es mehr. Seine Kunden wollen das Geld loswerden, bevor Griechenland aus dem Euro fliegt oder ein Schuldenschnitt den Wert vernichtet. Syrianos hätte dann das Problem – bei ihm brennt das Geld, seine Kunden haben bezahlt.

„Was mache ich bloß mit dem ganzen Guthaben?“, fragt Syrianos, streicht durch seinen kurzen Bart und schaut verstört. „Im Inland können wir elektronisch überweisen, aber nicht ins Ausland. Die Produktion kann ich deswegen noch für eine Woche aufrechterhalten, danach gehen mir die Verpackungsmaterialien aus.” Die bezieht Syrianos aus nämlich aus Rumänien.

Auch das viele Bargeld bereitet griechischen Unternehmern wie Syrianos Kopfzerbrechen. Die Milliarden, die die Griechen seit Monaten, ach was, seit Jahren von den Banken geholt haben, sind längst nicht alle ins Ausland geflossen, wie immer wieder behauptet wird. Sie zirkulieren im Land und halten die Geschäfte innerhalb Griechenlands am Laufen, seitdem die Banken nun schon die zweite Woche in Folge geschlossen sind.

Restaurants, Geschäfte, Bars zahlen das Bier und die Limonaden aus Syrianos Brauerei in bar. „Ab wann schlagen sie dir den Kopf ein, wenn man mit 5.000, 10.000 oder 100.000 herumläuft?“, fragt Syrianos, und aus seinen Augen spricht die Angst, die er mit Ironie zu vertreiben versucht. „Vielleicht sind die Diebe in der Krise ja auch humaner geworden.“

Staat und Gesellschaft ändern

1998 hat Athanasios Syrianos die Hellenic Brewery of Attalanti von Löwenbräu gekauft. 2013 übernahm dann ein Investmentfonds Anteile des Unternehmens, mit dessen Hilfe er sich bislang gegen die Krise gestemmt hat. Als Syrianos damals die Brauerei kaufte, war er 39 Jahre alt und hatte bereits als Manager für die Unternehmensberatung Roland Berger in München den Markt und die Wirtschaft Griechenlands ausgiebig untersucht.

Korruption, Beamtenstaat, Ineffizienz, Investitionshemmnisse, keine Wettbewerbsaufsicht, hieß es damals in seiner Analyse. Doch Syrianos sah auch die Chancen seines Heimatlandes. Er glaubte daran, dass Griechen und Ausländer eine moderne Wirtschaft aufbauen könnten und Staat und Gesellschaft sich verändern würden.

„Der größte Wettbewerbsfaktor Griechenlands ist das gute Leben“, zitiert Syrianos grinsend einen verbreiteten Satz. Er hat eine deutsche Mutter und einen griechischen Vater, ist in beiden Kulturen aufgewachsen und hat in Köln Betriebswirtschaft studiert. Er kennt noch andere Gründe, die Griechenlands Wirtschaft ankurbeln könnten. „Landwirtschaft, Tourismus – aber wir müssen in die Tiefe investieren, nicht in die Breite.“

Klasse statt Masse

Also Klasse statt Masse, etwa den Yachttourismus ausbauen. Oder Theateraufführungen an antiken Stätten, ähnlich wie die Opernfestspiele von Verona. Die Lebens- und Gaumenfreude der Griechen und Touristen beflügelt Syrianos mit Biermarken wie Berlin, Eza und Pils Hellas, mit Radler und Pink-Grapefruit-Hellem. 200.000 Hektoliter Bier verkauft er im Jahr, 17 Millionen Euro Umsatz macht er damit, fast die Hälfte davon zwischen Juni und August. Dieser Sommer war bislang „nicht positiv“, sagt er.

„Der dümmste Satz ist, dass Tsipras liefern soll. Wenn er nicht liefern kann, was soll er denn liefern?“, fragt Syrianos, springt vom Schreibtischstuhl auf und holt Tabellen und Grafiken aus dem Drucker. Der Wirtschaftsanalyst in ihm hat nicht locker gelassen und er hat die Zahlen des griechischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) mit den Annahmen der EU-Institutionen von 2010 und 2012 verglichen, nach denen die Sparprogramme verfasst wurden.

Während die wirklichen Zahlen des BIP wie blaue Orgelpfeifen auf Syrianos’ Tabellen von 2009 bis 2014 immer weiter abwärtsweisen, schrauben sich die roten und grünen Kurven der Troika-Prognosen nach oben. Der Abstand zwischen Theorie der EU-Institutionen und griechischer Realität wächst derart, dass die Prognose 2014 um ein ganzes Drittel unterschritten wurde.

„Das hier ist das eigentliche Problem“, sagt Syrianos, schüttelt das Blatt mit der Grafik und ist über die Analyse noch entsetzter als über den wirtschaftlichen Unverstand seiner Landsleute und der Regierung. Wer, so fragt sich der ehemalige Unternehmensberater, hat ein Interesse daran gehabt, dass sich Griechenland derart verschuldet? Welche Konzerne, Fonds, Staaten haben Griechenland so ausgepresst, dass das Land nun völlig am Ende ist?

EU-Gelder wurden verbaut

Alexis Tsipras hat am Mittwoch im EU-Parlament die ganze Misere des Staatsversagens ausgebreitet, die Unternehmer Syrianos auf einem anderen Chart aufgezeichnet hat und das sich ungefähr so liest: Investitionsgelder der EU wurden verbaut, seither überziehen Autobahnen das Land, doch fahren dort keine Laster mehr, da Griechenland kaum wettbewerbsfähige Produkte für den Export besitzt.

Statt die Stärken Griechenlands wie den Weinanbau oder die Fischwirtschaft zu fördern, hat der Staat mit falsch gelenkten Subventionen unrentable, altmodische Kleinbetriebe in der Landwirtschaft am Leben erhalten. Nach jeder Wahl wurden noch mehr Beamte und Staatsbedienstete eingestellt, die Renten mehrfach erhöht, bis ein durchschnittlicher Rentner 22.000 Euro im Jahr bekommen hat, obwohl er sein Leben lang nur einen Bruchteil dessen eingezahlt hatte.

Politisch hat der Staat dafür gesorgt, dass Löhne zweimal im Jahr angehoben wurden, zu Jahresbeginn um vier Prozent, dann im Herbst noch mal um 2,5 oder drei Prozent, obwohl die Produktivität das nicht hergab. „Tsipras hat doch nie eine Chance gehabt“, sagt Syrianos, und so viel Sympathie für einen Kommunisten hätte man dem Vizepräsidenten der deutsch-griechischen Handelskammer gar nicht zugetraut.

„Wir haben Schuld“, sagt Iannis, der in Shorts, offenem Hemd und blauen Crocs in seinem Laden in Athens Innenstadt hockt und süße Tomaten mit Feta und Olivenöl isst. Dakri heißen die kleinen Tomaten aus Kreta, Tränen bedeutet das übersetzt. Bevor sie in der Hitze verkommen, weil die Griechen für teure Delikatessen gerade kein Geld haben, genießt Iannis sie mit Freunden lieber selbst an dem niedrigen Holztisch zwischen Ladentheke und dem Kühlschrank mit dem kalten Bier. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble wünscht er Pest und Cholera an den Hals, die deutsche Journalistin lädt er ein.

Nochmal alles auf Null

„Wir brauchen Hilfe, nicht nur Geld“, pflichtet sein Kompagnon Stavros ihm bei. „Griechenland ist ein sehr spezielles Land“ sagt er, nicht einfach zu verstehen, mit Mangel an allen Ecken, vor allem in der Bildung. Am Weihnachtstag 2014 haben die beiden den Laden eröffnet, trotz Wirtschaftskrise. Pantopolion heißt ihr Geschäft, so wie früher die kleinen Läden mit Brot, Obst, Gemüse, Konserven in jedem Viertel Athens hießen.

Hier gibt es Olivenöl aus Kreta, Feta vom Peloponnes, Tee, Thymian, Wein und Bier - alles vom Feinsten und alles aus Griechenland. Zwischen dem Delfi-Bier in der bauchigen schwarzen Flasche, dem Yellow Donkey und dem Fix Dark aus den handwerklichen Brauereien aus ganz Griechenland steht auch das Eza in der schlanken Flasche der Brauerei von Syrianos im Kühlschrank des Pantopolion.

„Wir haben erstklassige und einzigartige Produkte in Griechenland, die kennt nur niemand“, sagt Iannis, der das mit Stavros ändern will, wenn die Europäer ihnen wieder eine Chance geben. „Wir müssen noch einmal vom Nullpunkt beginnen und die griechische Wirtschaft aufbauen“, sagt Stavros.

„Ich habe am Sonntag mit Ja gestimmt“, betont er. Seine schwarze knöchellange Schürze hat er zu Shorts gebunden und sich damit ein wenig Beinfreiheit auf seinen Gängen zwischen Käsetheke und Kühlregal verschafft. Vor einem Jahr noch hat er im Anzug seine Klienten in Immobilien- und Vermögensfragen beraten. Stavros ist Rechtsanwalt, genau wie Iannis, und er ist stinksauer auf Schäuble und Merkel, das kann er gar nicht oft genug quer durch den Laden rufen. „Es war sehr heuchlerisch, Griechenland 2010 noch Geld zu geben“, sagt Stavros. „Jeder wusste, dass Griechenland wirtschaftliche Probleme hat.“

Django kommt nicht mehr

Häuser, Grundstücke, Büros, Fabrikhallen – im Immobiliengeschäft geht in Griechenland schon lange nichts mehr. Überall kleben die weißroten Schilder, dass ein Objekt zu vermieten oder zu verkaufen sei. Neben dem zweistöckigen Bürogebäude von Athanasios Syrianos in einem Gewerbe- und Geschäftsgebiet im Norden Athens breiten sich die Getto-Palmen aus, diese dünnen Bäume mit den mehrlappigen Blättern, die so gut auf Schutt wachsen.

Das Tor zum Unternehmen Aventurine hinter dem Büro von Syrianos ist geschlossen, das Wasser aus dem Becken vor der Glasfassade abgelassen. Die Briefkastentür klappert im Wind, wie in einem Western, der letzte Brief im Kasten stammt vom 29. 6. 2015, und nur der Postbote weiß, warum er ihn dort ließ. Django wird hier niemals aufräumen, auch nicht in den Cineplex-Studios ein paar Meter weiter die Straße herunter. Ein umgekippter Sessel mit Kunstlederbezug liegt auf der Terrasse, eine geborstene Kühltruhe daneben, jemand hat Bauschutt in Plastiksäcken hinter der Gartenmauer gestapelt.

Für die nächsten sechs Wochen hat Athanasios Syrianos noch ausreichend Hopfen und Malz. Den Hopfen, er stammt aus Deutschland, hat er ein Jahr im Voraus bezahlt, doch die Rechnung für das Malz müsste er demnächst begleichen. Noch halten die holländischen und deutschen Produzenten still, es sind ja auch erst neun Tage, dass die Griechen kein Geld ins Ausland überweisen können.

Warenexport kommt zum Erliegen

Die Flaschen und Dosen für die Abfüllanlage machen Syrianos viel mehr Sorgen. Wenn es so weitergeht, hat er in einer Woche keine Verpackungen mehr. Syrianos bezieht sie aus Rumänien, doch wegen der eingefrorenen EZB-Programme darf er kein Geld ins Ausland überweisen. Mit einem Koffer voller Euro-Bündel kann er schlecht durch die Gegend reisen und seine Paletten Dosen bezahlen.

Waren aus dem Ausland gelangen nicht mehr nach Griechenland, Geld wiederum geht nicht mehr raus. Weswegen auch der Warenexport völlig zum Erliegen kommt. Ein Freund von Syrianos wollte Anfang der Woche Kirschen aus Griechenland exportieren. Er fand keinen Laster, denn die Spediteure wissen nicht, was sie auf dem Rückweg nach Griechenland mitbringen sollen.

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