Mäßig interessierte Mitglieder: Viele Wünsche und eine „Farce“

Die Mitgliederversammlung der Grünen durfte an Modellen für den Senat mitbasteln. Auf den Koalitionsvertrag Einfluss nehmen wollte die Basis kaum.

Das große grüne „Wünsch dir was“: Jeder darf mal was aufschreiben Foto: Klaus Wolschner

BREMEN taz | Am Ende war es ein großes Spiel, eines, das ohne echte Folgen bleibt, aber ganz nach dem Geschmack der grünen Basis ist. Rund 100 Mitglieder waren gekommen, als die Partei am Montag zur Zwischenbilanz der Koalitionsverhandlungen rief. Texte der bisherigen Verhandlungsergebnisse gab’s nicht, stattdessen nur mündliche Auskünfte, die nicht über das hinausgingen, was öffentlich schon bekannt ist.

Mitreden sollten die Mitglieder vor allem bei dem Spiel, das alle offenbar am meisten beschäftigt: Wer bekommt welches Ressort? „World Cafe“ war das Modell, und jeder durfte sich wünschen, wie der Senat aussehen sollte. Viele wollten die Zuständigkeit für die Integrationspolitik einem grünen Sozialressort übertragen, auch der Verbraucherschutz gehört zum grünen „Wünsch-dir-was“. Wenn man zuständig würde für „Wissenschaft, Europa und Kultur“ wäre das ein eher kleines Ressort, das aber „gute Nachrichten für das grüne Klientel“ produzieren könnte. Auch die Zuständigkeit für Beiräte soll zu den Grünen, klar. Was sind die grünen „Kernkompetenzen“, das war die Frage. „Was die Wähler interessiert“, lautete eine Antwort. Soziales der SPD überlassen? „Das wäre nicht gut für Anja.“

Am meisten umstritten ist offenbar das Finanzressort. Lieber andere „Kernkompetenzen“ besetzten, meinten einige – man bekomme da immer nur den „schwarzen Peter“. Es ist ein Ressort, das viel Macht hat, wandten andere ein – soll man in Zukunft bei der SPD „um Geld betteln?“

Am Ende von anderthalb Stunden Selbstbeschäftigung waren alle zufrieden: Die Mitglieder hatten mitreden dürfen und die Verhandlungskommission hat trotzdem freie Hand. „Als grüne Sozialsenatorin bin ich genau an der Stelle, an die ich gehöre“, hatte die Sozialsenatorin schon im Vorfeld gesagt. Finanzsenatorin Karoline Linnert und Umweltsenator Joachim Lohse sehen das für sich genauso. Wenn die Partei sich raushält, ist das am Ende entscheidend.

„Ein bisschen ratlos“ sei sie, erklärte die nicht mehr ins Parlament gewählte Silvia Schön nach dem Spielchen: „Wo ist die grüne Handschrift bei dem, was ausgehandelt wurde? Was ist mit dem teuren Offshore-Terminal? Was wird aus dem Schwerpunkt Armutsbekämpfung, wenn alles noch unter dem Finanzierungsvorbehalt steht?“ Landesvorstandsmitglied Michael Pelster erklärte, dass es die Aufgabe dieses Führungsgremiums hätte sein müssen, reale Optionen für Änderungen in den Senatsressorts aufzuzeigen. Da die meisten aus dem Vorstand selbst kandidiert haben, sei das Gremium viel zu verstrickt gewesen.

Der einzige inhaltliche Punkt, bei dem Mitglieder Einfluss nehmen wollten, war die Frage des geschlossenen Heims für straffällige minderjährige Flüchtlinge. Der zurückgetretene Fraktionschef Matthias Güldner wollte klargestellt wissen, dass diese Einrichtung nicht gleichzeitig zur Unterbringung von verurteilten straffälligen Jugendlichen genutzt werden darf, bei denen das Gericht eine „Haft vermeidende Lösung“ sucht. Da war sogar die Heim-Gegnerin Susanne Wendland einverstanden.

Der persönliche Referent von Anja Stahmann, David Lukassen, Vertreter der Bremerhavener Grünen in den Verhandlungen, erklärte aber gleich, dass die SPD kaum bereit sein dürfte, die gefundene Formulierung noch mal zu überarbeiten. Offenbar kann seine Senatorin damit leben. Die hatte sich festgelegt, dass „freiheitsentziehende Maßnahmen im Einzelfall sinnvoll“ seien. Ein „universelles Heilmittel“ sei die geschlossen Unterbringung aber „auf keinen Fall“.

Unterdessen warf Güldner in seinem Blog die Frage auf, ob die Koalitionsgespräche zum Offshore-Terminal nicht „bloße Farce“ sei – weil der, parallel zu den Verhandlungen, gerade schon ausgeschrieben wurde. Das schafft Fakten, denn eine Ausschreibung ist nicht ohne Weiteres wieder zurückzunehmen.

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