Olympia: Spiele für alle

Mit Zugeständnissen an die Kritiker Olympischer Spiele wollen SPD, CDU und Grüne in der Hamburger Bürgerschaft einen Konsens über Volksbefragungen erreichen.

Wenn sie sich mal nicht zu früh freuen: Innensenator Michael Neumann (SPD, r.) zeigt Hamburgs Olympia-Botschafter Alexander Otto den Countdown zur Volksbefragung. Bild: dpa

HAMBURG taz | Mit weitreichenden Zugeständnissen will die Mehrheit in der hamburgischen Bürgerschaft einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zur Bewerbung Hamburgs um Olympische Sommerspiele erreichen. „Wir wollen möglichst alle mitnehmen“, versprach SPD-Fraktionschef Andreas Dressel am Montag.

Senat und Bürgerschaft wollen die Bewerbung auf eine sichere Basis stellen und sie deshalb vom Volk absegnen lassen. Dazu wollen sie das Instrument der Volksbefragung neu in die Verfassung aufnehmen – ergänzend zum Volksentscheid, der von den Bürgern initiiert wird. Das wird vom Verein „Mehr Demokratie“, der die Volksgesetzgebung in Hamburg durchgesetzt hat, stark kritisiert. Der Verein befürchtet, dass Volksinitiativen und Volksentscheide durch Volksbefragungen ausgehebelt werden könnten.

Um den Bedenken zu begegnen, stellten gestern die Regierungsfraktionen SPD und Grüne zusammen mit der oppositionellen CDU einen Gesetzentwurf zur Durchführung von Volksbefragungen vor, der den Kritikern „sehr, sehr weit entgegenkommt“, wie CDU-Fraktionsvize Karin Prien sagte, die bei einigen Regelungen „Bauchschmerzen“ nicht verhehlen wollte: „Aber wir wollen Olympische Spiele nicht an juristischem Klein-Klein scheitern lassen.“ Das Gesetz soll vor der Sommerpause im Parlament beschlossen werden.

Vermutlich am 29. November sollen die HamburgerInnen in einem Referendum über die Bewerbung der Stadt um Olympische Sommerspiele 2024 oder 2028 entscheiden. Die dazu nötige Verfassungsänderung haben SPD, Grüne und CDU mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit am 7. Mai in erster Lesung beschlossen. Endgültig verabschiedet werden soll die Änderung auf der Bürgerschaftssitzung am 28. Mai. Details muss ein Ausführungsgesetz regeln, dessen Entwurf nun vorliegt.

Die nächsten Schritte:

15. September 2015: Der Deutsche Olympische Sportbund und die Stadt melden beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ihre Kandidatur offiziell an.

Wahrscheinlich 29. November 2015: Bürgerentscheide in Hamburg und der Segelstadt Kiel.

8. Januar 2016: Abgabe erster Bewerbungsunterlagen ("Bid Book") beim IOC.

April/Mai 2016: Das IOC nimmt bis zu fünf Kandidatenstädte in die engere Wahl.

Januar 2017: Diese Bewerber müssen vollständige Unterlagen einreichen.

Sommer 2017: Das IOC wählt in Lima/Peru die Stadt für die XXXIII. Olympischen Spiele 2024.

Danach können Bürgerschaft oder Senat dem Volk eine Frage „von grundsätzlicher und gesamtstädtischer Bedeutung“ zur Entscheidung vorlegen. Im Parlament ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, um sicherzustellen, dass wirklich nur Großprojekte und Infrastrukturvorhaben von herausragender Bedeutung zur Abstimmung gestellt werden.

Dafür ist ein Zeitraum von mindestens zehn Monaten vorgesehen, um „eine breite Debatte und Meinungsbildung in der Öffentlichkeit zu ermöglichen“, sagte Dressel. Zugleich hätten dann Kritiker die Möglichkeit, eine Volksinitiative dagegen zu starten. Diese würde als Gegenvorlage Teil des Referendums sein und somit zur Abstimmung gestellt werden.

Doch selbst wenn sich keine Initiative formiert, sollen Gegenpositionen nicht unter den Tisch fallen. Das Informationsheft, das allen Abstimmungsberechtigten zusammen mit der Referendumsfrage zugeschickt wird, soll ablehnende Stimmen selbst dann enthalten, wenn keine Volksinitiative gegen das Projekt zustande kam. „Unser Gesprächsangebot an die Kritiker“, nennt das Dressel.

Der grüne Fraktionschef Anjes Tjarks sieht darin „einen zusätzlichen Schritt für mehr Demokratie“, Prien von der CDU eine „Weiterentwicklung der Volksgesetzgebung“, die bislang nur Volksentscheide gegen zuvor von der Politik beschlossene Vorhaben vorsieht.

Dass Kritiker wie Manfred Brandt vom Landesvorstand des Bürgerrechtsvereins „Mehr Demokratie“ in einem Referendum „eine unglaubliche Einschränkung von Bürgerrechten“ sehen, ist für Prien „nicht nachvollziehbar“. Kein Verständnis haben SPD, CDU und Grüne auch für die Kritik an der Verbindlichkeit von Referenden.

Die Regelung entspreche der bei Volksentscheiden. Diese sind ebenfalls verbindlich und müssen vom Senat auch umgesetzt werden, wenn dieser – wie im September 2013 bei der Rekommunalisierung der Energienetze – den Kürzeren zieht. Brandt war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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