Streit wegen Staatsanwältin eskaliert: Beispiellose Schlammschlacht

Leitender Oberstaatsanwalt wirft der Landesregierung NRW vor, bei der Vergabe von Bußgeldern gemauschelt zu haben. Die Summen stammen aus Verfahren um dubiose Stiftungen in Liechtenstein.

CDU-Ressortchefin Roswitha Müller-Piepenkötter droht nun ihrerseits mit einer Versetzung der Ermittlerin - aber nach Köln. Bild: dpa

Der Streit über die Strafversetzung von Deutschlands bekanntester Staatsanwältin, der Bochumer Ermittlerin Margrit Lichtinghagen, entwickelt sich zu einer beispiellosen Schlammschlacht. Jetzt wirft Lichtinghagens Chef, der Leitende Oberstaatsanwalt Bernd Schulte, seiner Mitarbeiterin vor, Bußgelder in Millionenhöhe aus eingestellten Strafverfahren nach Absprache mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung verteilt zu haben. In einem Dossier, das Schulte zusammen mit seinem Vorgänger Manfred Proyer erstellt hat, werden die Namen von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, Landtagspräsidentin Regina van Dinther (beide CDU) sowie Rüttgers Stellvertreter, Vizeministerpräsident Andreas Pinkwart genannt.

Schulte führt offenbar seit Monaten einen Kleinkrieg gegen Lichtinghagen, die im Februar Expostchef Klaus Zumwinkel vor laufenden Fernsehkameras wegen Steuerhinterziehung verhaften ließ. Der "Leitende" halte seine prominente Ermittlerin für "illoyal" und habe sie deshalb in die hauseigene Abteilung Jugendstrafrecht versetzen wollen, ist in Bochum zu hören. Außerdem habe die Staatsanwältin Bußgelder an Institutionen vergeben, die ihr persönlich nahe stehen. Die Rede ist etwa von der Privatuniversität Witten Herdecke, an der eine der Töchter Lichtinghagens studiere.

Doch die Ermittlerin schaltete das Justizministerium ein. CDU-Ressortchefin Roswitha Müller-Piepenkötter droht nun ihrerseits mit einer Versetzung der Ermittlerin - aber nach Köln. Der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Bochumer Staatsanwaltschaft droht damit der Verlust aller wichtigen Verfahren um Steuerhinterziehung über Stiftungen in Liechtenstein. Die für den gestern angekündigte Entscheidung Müller-Piepenkötters war aber bis Redaktionsschluss noch nicht gefallen.

Stattdessen ließ Regierungschef Rüttgers dementieren, Lichtinghagen überhaupt persönlich zu kennen. "Der Ministerpräsident ist mit der Dame nicht bekannt", so Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter zur taz. Ein Sprecher von Rüttgers Stellvertreter, Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart, bestätigte dagegen ein Treffen mit Wissenschaftsstaatssekretär Michael Stückradt. Die Ermittlerin sei im Juni "auf das Ministerium zugegangen, um über die Verwendung von Bußgeldern für die Bereiche Wissenschaft und Forschung zu sprechen". Zu dem Gespräch sei auch Minister Pinkwart "kurzzeitig hinzugestoßen". Empfohlen worden sei etwa der Studienfonds OWL, der Studierende aus finanziell schwachen Familien unterstützt. Allerdings habe das Ministerium "keine Erkenntnis", ob tatsächlich Geld geflossen sei.

SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger wirft der Regierung trotzdem vor, Lichtinghagens Bußgelder als "Selbstbedienungsladen" genutzt zu haben. Die Justizministerin müsse klären, ob Druck der einflussreichen Angeklagten in dem Liechtenstein-Verfahren hinter der versuchten Entmachtung der Staatsanwältin stehe.

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