Verfassungs-Abstimmung in Kenia: Die Verteilung des Landes

In Kenia soll der Landbesitz gerechter werden: Das Volk stimmt am Mittwoch über eine neue Verfassung ab. Bislang durfte der Präsident Land nach Belieben verteilen.

Mit der Vuvuzela für die neue Verfassung: Kundgebung in Nairobi am 1. August. Bild: reuters

NAIROBI taz | In Suswa standen sich die beiden Seiten auf einmal direkt gegenüber: hier die in grüne T-Shirts gekleideten Befürworter einer neuen Verfassung für Kenia, dort die mit roten Karten wedelnden Verfassungsgegner. Getrennt wurden die brüllenden Gruppen in der Ortschaft in Kenias Maasailand nur durch einen Polizeikordon.

"Sie haben uns verboten, nach Suswa zu kommen, aber wir sind trotzdem hier", heizte Minister William Ruto, inoffizieller Anführer der Verfassungsgegner, der johlenden Menge ein. "Den Befürwortern sind die Ideen ausgegangen, deshalb wollen sie jetzt uns behindern." Dass die Kundgebung mutmaßlich auf heiligem Land stattfand, erwähnte Ruto so wenig wie der Starredner der Veranstaltung, Daniel arap Moi. Nicht zuletzt der Auftritt des despotischen Expräsidenten zeigt, dass die Debatte um Kenias neue Verfassung sich längst nur noch um zweierlei dreht: um Land und um Macht. In weiten Teilen Kenias ist das ein und dasselbe.

Moi regierte Kenia bis 2002 24 Jahre lang. Als ihm das Geld ausging, verlegte er sich darauf, seine Unterstützer mit staatlichem Land zu bezahlen - die geltende Verfassung gibt dem Präsidenten das letzte Wort in Landfragen. Menschenrechtler schätzen, dass in den letzten Moi-Jahren hunderttausende Hektar Land illegal den Besitzer wechselten, nicht zuletzt zugunsten des Präsidenten selber. Die neue Verfassung soll das Unrecht rückgängig machen: Eine Landkommission mit weitreichenden Kompetenzen soll illegale Landgeschäfte aufheben und betroffene Ländereien an lokale Volksgruppen zurückgeben. Auch eine Obergrenze für Landbesitz soll festgelegt werden.

Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung für Kenia war Teil des Friedensabkommens vom Februar 2008, das der Gewalt nach den Wahlen vom Dezember 2007 ein Ende setzte. Damals hatte Präsident Mwai Kibaki sich zum Wahlsieger ausgerufen, obwohl er verloren hatte. Anhänger des unterlegenen Oppositionsführers Raila Odinga gingen auf die Straße. Es entwickelten sich ethnische Pogrome mit über 1.300 Toten.

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Nach letzten Umfragen sind 68 Prozent für die neue Verfassung, 25 Prozent dagegen. Weil es Kenias erste Abstimmung seit der Wahl 2007 ist, gelten sehr starke Sicherheitsvorkehrungen. (dj)

Moi, der als Präsident Land der Maasai an Angehörige seiner Kalenjin-Volksgruppe übereignete, ruft die Maasai an diesem Nachmittag in Suswa dazu auf, die Verfassung abzulehnen. "Sie gefährdet die Rechte an eurem Land, seid vorsichtig, dass man sie euch nicht am Wahltag stiehlt." In Nairobi sagt Kenias Landminister James Orengo kurz darauf: "Wer sein Land legal erworben hat, muss keine Angst vor der neuen Verfassung haben." Doch die Besitzer illegalen Landes sind vermögend und einflussreich und damit gefährliche Gegner.

Im Rift Valley, wo auch Kenias Gründungspräsident Jomo Kenyatta in den 60er Jahren unter Protesten der Kalenjin enteignetes weißes Farmland an Angehörige seiner Kikuyu-Ethnie verteilte, bleiben Hetzparolen selten folgenlos. Hier lag das Zentrum der Gewalt nach den Wahlen Ende 2007, die insgesamt über 1.300 Tote und hunderttausende Vertriebene forderte. Im Wahlkampf hatten Spitzenpolitiker aller Seiten gezielt gegen die Ethnien politischer Gegenspieler gehetzt; nach der Wahl griffen alle Seiten zur Waffe. Ruto soll zu den Drahtziehern gehören, denen Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag drohen.

Der Verfassungsentwurf, der jetzt zur Abstimmung steht, ist in vielem ein Kompromiss. Kenia soll auch in Zukunft von einem starken Präsidenten geführt werden, das Parlament bekommt aber Kontrollmöglichkeiten. Das Land wird in 47 Provinzen aufgeteilt, die in einem Senat genannten Oberhaus vertreten sind. Zu den wirklichen Innovationen gehören die umfassende Garantie von Bürgerrechten und der Gleichstellung von Frauen, eine neue Struktur für die als korrupt verschriene Justiz und die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft.

Bei ihrer Kampagne betonen die Verfassungsgegner hingegen populistisch ausschlachtbare Randthemen - etwa den Paragrafen, der Abtreibung erlaubt, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist. Einflussreiche evangelikale Kirchen verurteilen das ebenso als Teufelswerk wie die Verankerung der traditionellen muslimischen Gerichte in der Verfassung. Das lenkt nicht nur vom Thema Land, sondern auch von der politischen Dimension des Verfassungsstreits ab.

Dabei geht es vor allem darum, wer Präsident Mwai Kibaki Ende 2012 nachfolgen soll. Rutos Engagement gegen eine neue Verfassung gilt als Versuch, sich für das Amt in Stellung zu bringen. Beste Chancen im Falle einer "Yes"- Mehrheit hätte Premier Raila Odinga. Der frühere Oppositionsführer tritt heute als Verfassungsbefürworter an der Seite Präsident Kibakis auf, der mit einem "Yes" seinen Platz in den Geschichtsbüchern sichern will.

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