ZDF-Doku über Nicolas Berggruen: Der Zoom ist defekt

Eine ZDF-Doku will nah ran an den Investor Nicolas Berggruen – und zeigt vor allem das eigene Scheitern. Müssen wir das wirklich sehen?

So mancher Fotograf kommt näher ran: Nicolas Berggruen. Bild: reuters

Die gute Nachricht vorweg: Beim ZDF rackern sich die Redakteure im Dienste des Gebührenzahlers ordentlich ab. Die schlechte: Irgendwer hielt es für eine gute Idee, aus dieser Selbstverständlichkeit eine Sendung zu machen.

„ZDF zoom“ heißt die im Mai 2011 gestartete Reihe mit investigativen Dokus, die sich diese Woche mal wieder an dem im Titel formulierten Anspruch verhebt. „Mister Karstadt – Der rätselhafte Nicolas Berggruen“ heißt der Film – und dessen Fazit lautet: „Der Retter von Karstadt blieb rätselhaft.“ Abspann.

Der Zoom ist also defekt: Der Zuschauer kommt Berggruen nicht näher, aber wenigstens weiß er jetzt, wie es im Büro von Lutz Ackermann und Christian Esser aussieht. Die Stellen, an denen sich die Autoren selbst thematisieren und samt Kamera ins Bild schieben, sind so zahlreich wie ihre Schlussfolgerungen oberflächlich. Der Film zeigt keine Nahaufnahme von Nicolas Berggruen, eher ein Luftbild, durch eine dichte Wolkendecke hindurch.

Das klingt dann etwa so: „Um einen Film über ihn zu machen, müssen wir flexibel sein (…) Termine gibt es nur auf Zuruf. Gerade kommt er aus der Schweiz, hat dort eine Schokoladenfabrik besucht. Berggruen liebt Schokolade, verrät er uns, eine seiner wenigen Schwächen. Sonst redet Berggruen ungern über persönliche Vorlieben, er bleibt unnahbar trotz unserer vielen Begegnungen.“ Ein journalistischer Offenbarungseid – außer in der Redaktion von „ZDF zoom“.

Besser Tierdokus?

Der ist auch eine vergebliche Annäherung 45 Minuten Sendezeit wert. Die Hoffnung ist wohl, dass das nicht groß auffällt, wenn man nur signalisiert, überall dabei gewesen zu sein, in Paris, New York, Berlin, Essen, und auch scheinbar nebensächliche Details registriert zu haben: „Dolmetscher übersetzen die Konferenz simultan in fünf Sprachen.“

Zwar versuchen die Autoren in der zweiten Filmhälfte ehrenwerterweise das Firmengeflecht des Nicolas Berggruen zu entwirren, doch ihr größter Erfolg bleibt es, einen stammelnden Großinvestor vorführen zu können, der sich selbst darin verfangen zu haben scheint. Auch die Frage, wie nachhaltig seine sonstigen Investitionen sind, ist mit Blick auf den vor der Pleite bewahrten Essener Kaufhauskonzern eine interessante.

Doch die populistische Naivität, mit der die Autoren Berggruen um die Ohren hauen, dass das kultivierte Philanthropenimage seinem Geschäftsgebaren mitunter widerspricht, ist schwer erträglich. Wer einem Investor vorwirft, dass der Geld verdienen will, sollte vielleicht besser Tierdokus drehen.

Es gibt eine Schnittmenge zwischen Berggruens Interessen und denen der Karstadt-Belegschaft – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Mann ist kein Patriarch, den erst der Tod von „seiner“ Firma scheidet, sondern ein Geschäftsmann, der wohl irgendwann wieder verkauft – am liebsten jedoch ein profitables Unternehmen.

Immerzu „kritische Fragen“

Immerzu werden im Film laut Offsprecher „kritische Fragen“ gestellt, doch der Zuschauer hört kaum eine davon. Dieses Signalwort ist genauso wie die vielen „erneuten Nachfragen“ Teil des pseudoinvestigativen Gestus eines Formats, das die Autoren zu Erfüllungsgehilfen degradiert, zu Journalistendarstellern. Ihre Schuld ist das nicht. Es gibt kein richtiges Handeln im falschen Film.

Das Format entschuldigt allerdings auch nicht alles: Einer von nicht wenigen Tiefpunkten des Films ist erreicht, als die Autoren den Wikipedia-Eintrag von Nicolas Berggruen – wie soll man sagen? – auswerten? – und dabei aufdecken, dass darin „jemand vieles umgeschrieben“ hat. „Rund 30 Änderungen lassen den Milliardär in einem möglichst bescheidenen Licht erscheinen.“

Was wären wir bloß ohne die wackeren Wühler von ZDF zoom?

„Mister Karstadt – Der rätselhafte Nicolas Berggruen“, ZDF, 22.45 Uhr.

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