Kommentar Energiewende: Huch, Fortschritt kostet

Warnungen vor einer Kostenexplosion wegen neuer Stromleitungen sind absurd: Denn neue Leitungen sparen sogar Geld. Der Streit sorgt vor allem für Verunsicherung.

Rechthaberei und verbissenes Suchen nach Schuldigen haben mal wieder Hochkonjunktur. Irgendjemand muss doch verantwortlich sein für die steigenden Energiepreise. Die grünäugigen Ideologen der Energiewende? Oder doch die raffgierigen Stromanbieter? Nach Solarmodulen sollen nun neue Stromleitungen schuld sein an der herbeigeredeten „Kostenexplosion“. Im Fall des Stromnetzes ist das besonders absurd.

Denn neue Leitungen sparen sogar Geld. Wenn an der Küste wenig Wind weht, kann Solarstrom aus Spanien fließen. Wenn die Niedersachsen nicht wissen, wohin mit all dem Windstrom, können die Franzosen Atomkraftwerke drosseln, einige vielleicht sogar abschalten. Dafür müssen hierzulande weniger teure Stromspeicher oder Kraftwerke gebaut werden.

In Deutschland wird die große Erzählung der Energiewende dagegen immer mehr abgelöst von kleinlichen Kostendebatten, die selbst Fachleute kaum noch verstehen. Selbstverständlich dürfen die Energiepreise für die Verbraucher nicht ausufern. Aber abgehobener Streit über die „Kostenexplosion“ sorgt vor allem für eins: Verunsicherung. Die droht zu einem Stillstand zu führen, der mit dem Stromnetz selbst solche Technologien behindert, die wesentlich mehr Vor- als Nachteile haben.

ist freier Mitarbeiter der taz.

Was fehlt, ist vor allem Fortschrittsglaube. Jede Technik, die uns das Leben erleichtert, kostet nun einmal etwas. Auch zu Beginn des Eisenbahnzeitalters hätten die Menschen sagen können: „Ein Schienennetz quer durchs Land? Viel zu teuer!“ Würde mehr Begeisterung für neue und bessere Technik herrschen, hätten die Teile der Energiewirtschaft, die mit dem Hinweis auf die „Kostenexplosion“ den Status quo sichern wollen, viel weniger Erfolg.

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