Antifa sagt Demo ab: "Auflagen verhindern Protest"

Antifa-Gruppen rufen nicht mehr zur Demonstration gegen den "Trauermarsch" von Neonazis in Bad Nenndorf auf. Aktionen soll es dennoch geben.

Weiße Leibchen von der Polizei: der rechtsextreme "Trauermarsch" im vergangenen Jahr. Bild: dpa

taz: Herr H., demonstrieren Sie am Samstag alleine in Bad Nenndorf gegen Neonazis?

Tobias H.: Wohl kaum. Es werden viele Menschen in den Ort kommen. Antifa-Gruppen rufen auch weiter zu Protesten und Blockaden auf …

aber nicht mehr zu Ihrer Demonstration – weil sie die Auflage für nicht tragbar halten.

Ja, ich finde die auch als Anmelder unzumutbar. Sie verhindern eine Vermittlung unseres Anti-Nazi-Protests.

34, seit Jahren antifaschistisch aktiv und aus Angst vor Neonazis mit seinem Namen vorsichtig. Er arbeitet bei einer Sozialberatung für Arbeitslose.

Weil Sie nicht in Schwarz laufen dürfen?

Es wird auch verboten, grüne oder blaue T-Shirts oder Pullover zu tragen. Das tragen ja nun nicht nur Autonome, Jeans und grüner Pulli gehören zum Straßenbild.

Nach Paragraf 3 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes dürfen Sie nicht „den Eindruck von Gewaltbereitschaft“ vermitteln.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Paragrafen steht noch aus. Jede Form des entschlossenen oder solidarischen Auftretens ist angeblich geeignet, Leute zu erschrecken. Dabei zeigen nicht nur die Taten der NSU-TerroristInnen: Es ist absolut notwendig, sich Neonazis geschlossen, solidarisch und lautstark entgegenzustellen.

Ihre Demo wurde ja nicht verboten.

Das wäre offener gewesen, dann hätte sich der Landkreis den ganzen Firlefanz sparen können: Zwischen Musikstücken sollen wir sieben Minuten Pause einhalten. Wir dürfen keine Transparente an den Seiten zeigen. Wenn wir sie in der Demo vorne tragen, bilden sich Blöcke, die sind aber auch verboten – es ist unmöglich, die Auflagen einzuhalten. Auch finanziell.

Inwiefern?

Die Lautsprecheranlage darf nicht lauter als 90 Dezibel sein. An sich möglich, allerdings müssten wir die Anlagen verplomben lassen. Das kostet zwischen 400 und 700 Euro. Erstens habe ich das Geld nicht, zweitens muss es möglich sein, kostenlos zu demonstrieren.

Begründet wird das mit dem Arbeitsschutz für Polizisten.

Ein Vorwand. Die Beschallung des Autoradios bei deren Anfahrt ist lauter. Sie wollen keinen Protest links vom DGB.

Die Grüne Jugend soll ihre Anlage auch verplomben.

Diese Forderung ist eine neue Entwicklung in Niedersachsen. Bislang beschränkt sich diese Unmöglichkeit noch auf linke Demos im Großraum Hannover. Es macht lautstarken Protest mundtot – alles, was der Landesregierung nicht in den Kram passt. Das Ganze ist eine versammlungsrechtliche Katastrophe.

Sie haben dagegen geklagt?

Wir sind rechtlich dagegen vorgegangen. Allerdings ist schon der Antrag auf Prozesskostenhilfe gescheitert, mit der Begründung, die Polizei habe sehr sorgfältig gehandelt. Spannend ist: Das Bedrohungsszenario wird eigentlich mit der Gewalttätigkeit der Nazis begründet, getreu der Extremismus-Theorie, dass Links gleich Rechts ist. Also erhält die Antifa-Demo dieselben Auflagen wie die Nazis – nur mit dem Unterschied, dass die Polizei alles tut, damit die Nazis dennoch marschieren können.

Übertreiben Sie nicht?

Nun, ich glaube nicht, dass die Polizei weiße T-Shirts für uns bereit hält, damit wir unsere Auflagen erfüllen, so wie in Bad Nenndorf 2009 für die Neonazis. Ich würde sie auch nicht annehmen, die SA hat Weiß getragen, als sie verboten war. Nein, es muss möglich sein, ungehindert Protest auf die Straßen zu tragen.

Die Polizei schätzt, es werden zwei-, dreitausend Menschen gegen Nazis demonstrieren.

Das Absurde ist: In der Gefahrenprognose steht, dass ein Möbelhaus am Samstag ein Sommerfest feiert. Das zieht 4.000 Leute an – mehr als die Gegenproteste.

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