Kommentar FR-Insolvenz: Schlag gegen die Pressevielfalt

Die Insolvenz der „FR" wird nicht die letzte bleiben. Kein guter Tag für unsere Demokratie, die davon lebt, durch kritischen Journalismus geschützt zu werden.

Die Zeitungsbranche steht weltweit unter Druck. Bild: dapd

Es ist ein historischer Einschnitt. Zum ersten Mal in der Nachkriegs-Zeitungsgeschichte hat gestern mit der Frankfurter Rundschau ein traditionsreicher überregionaler Titel Insolvenz angemeldet. Die Verluste waren offenbar so hoch, dass selbst das mächtige Mutterhaus DuMont Schauberg sich die Tochter nicht mehr leisten kann.

Das ist ein Schlag insbesondere für ein Land wie Deutschland, das bis heute über eine Pressevielfalt auch auf dem Printmarkt verfügt, die ihresgleichen sucht. Die Zeitungsbranche steht aber weltweit unter massivem Druck.

In den USA etwa grassiert das Zeitungssterben schon seit vielen Jahren. Das liegt am fehlenden LeserInnen-Nachwuchs, und, noch viel bedeutsamer, an den wegbrechenden Werbeeinahmen. Zumindest Letzteres ist für Zeitungen wie die taz kein Problem, da wir schon immer sehr unabhängig von Anzeigenerlösen wirtschaften mussten.

Die Ursachen für den Niedergang der einst stolzen linksliberalen Zeitung FR liegen aber schon viel länger zurück. Die Verantwortlichen verpassten, das Blatt zu modernisieren.

Die Frankfurter Rundschau stand für einen festgefahrenen Gewerkschaftsjournalismus, dem ein zeitgemäßes, debattenfreudiges Selbstverständnis fehlte. Daran änderte auch die Fusion mit der Berliner Zeitung nichts.

Der Versuch, dieses Manko mit der Einführung des kleinen Tabloid-Formats wettzumachen, ging endgültig nach hinten los. In Fachkreisen als Möglichkeit gepriesen, das Zeitungswesen zu retten, war das Gegenteil der Fall.

Mit dem neuen Format beging die FR 2007 Selbstmord aus Angst vor dem Tod, sie verabschiedete sich von der Bühne ernst zu nehmender Qualitätstitel. Lange Betrachtungen, Analysen, Hintergründe wurden einem kurzatmigen Häppchenjournalismus geopfert, der die FR beliebig machte und sie damit ihrer Existenzberechtigung letztlich selbst beraubte.

Aber auch andere seriöse Titel müssen kämpfen. Eine der großen Fragen, die die Branche beschäftigt, ist, ob die Umsonst-Kultur, die sich im Internet etabliert hat, verändert werden kann: ob genügend Menschen bereit sind, sich Qualitätsjournalismus etwas kosten zu lassen.

Am Dienstag war kein guter Tag für unsere Demokratie, die davon lebt, durch kritischen Journalismus geschützt zu werden. Die FR war die erste Qualitätszeitung, die in Deutschland Insolvenz angemeldet hat. Sie wird wohl nicht die letzte bleiben.

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Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)

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