Aktionsbündnis will Grundgesetz ändern: Eigener Artikel für Kinder

Kinder brauchen einen eigenen Artikel im Grundgesetz, fordert ein Bündnis. Die Familienministerin meint: Kinderrechte seien ausreichend vorhanden.

Freie Fahrt für Kinder, fordert das Aktionsbündnis Kinderrechte, zumindest ins Grundgesetz! Bild: dapd

BERLIN taz | Kinder brauchen mehr Raum – auch im Grundgesetz. das jedenfalls fordert das Aktionsbündnis Kinderrechte. Es verlangt, die Position von Kindern im deutschen Rechtssystem zu stärken und dazu die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

Einen vier Absätze umfassenden Formulierungsvorschlag präsentierte das aus verschiedenen Kinderrechtsorganisationen bestehende Bündnis am Freitag in Berlin. Darin heißt es etwa: „(3) Jedes Kind hat das Recht auf Beteiligung in Angelegenheiten, die es betreffen“ – jedenfalls in altersgemäßer Weise.

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, deshalb brauchen sie über das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 des Grundgesetzes hinaus eine besondere Förderung“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger. Der Vorschlag für den neu zu schaffenden Artikel 2a enthält das Recht auf Schutz, bestmögliche Förderung und Beteiligung an allen Angelegenheiten, die Kinder betreffen. Dem Kindeswohl müsse bei allem staatlichem Handeln vorrangige Bedeutung zukommen.

Bislang würde der Staat noch zu wenig in die Pflicht genommen, seiner Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse nachzukommen, meinte Lore Maria Peschel-Gutzeit, frühere Hamburger Justizsenatorin, von der Deutschen Liga für das Kind. Gerade angesichts hoher Kinderarmut und ungerechter Bildungschancen wäre die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz ein wichtiges Signal.

Im Falle einer Verfassungsänderung müssten neu zu erlassende Gesetze, wie jenes zur Einführung des Betreuungsgeldes, am entsprechenden Artikel geprüft werden. „Verfassungskonforme Auslegung heißt dann im Zweifelsfall – zu Gunsten des Kindes,“ betont Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

Dies könnte sich etwa bei der Planung neuer Kitas auswirken, wenn zwischen dem Recht auf Eigentum und dem Grundrecht der Kinder auf Bildung und Spielen abgewogen werden muss.

Unnötiger Aktivismus oder Fortschritt?

Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung bereits das Immissionsschutzgesetz reformiert: Kinderlärm gilt nicht mehr als schädliche Umwelteinwirkung, sondern als sozialadäquat. Nachbarn müssen den Lärm, der von Kindertagesstätten in der Nachbarschaft ausgeht, daher tolerieren. Nach Angaben des Aktionsbündnisses bekommt die Kampagne Unterstützung aus Politik und Justiz: Die Kinderkommission des Bundestages sowie der deutsche Anwaltsverein stünden hinter dem Vorschlag.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hingegen hält eine Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung für unnötig. Der Passauer Neuen Presse sagte die Ministerin am Freitag, die Bundesregierung habe die Rechtsposition von Kindern bereits gestärkt. Das Recht auf Individualklage für Fälle, bei denen es möglicherweise um einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention geht, bringe „viel mehr als jede Verfassungsänderung“.

Auch unter Staatsrechtlern ist das Thema umstritten. Neben der vom Aktionsbündnis vertretenen Position gibt es die weitverbreitete Auffassung, Kinder seien im Grundgesetz bereits zur Genüge vertreten. Eine Einführung zusätzlicher Artikel blähe das Grundgesetz nur unnötig auf. Lore Maria Peschel-Gutzeit hält dagegen: Auch in der Vergangenheit habe es zahlreiche Verfassungsänderungen gegeben. Zum Beispiel bei der Erweiterung von Artikel 3 zur Gleichberechtigung von Mann und Frau.

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