Kommentar Wort des Jahres: Deutsche „Rettungsroutine“

Die Gesellschaft für die deutsche Sprache hat „Rettungsroutine“ zum Wort des Jahres gewählt. Gerettet wurde allerdings nichts.

Das Wort oder doch das Unwort des Jahres? Bild: dpa

Nun ist es also die „Rettungsroutine“ geworden. Die Gesellschaft für die deutsche Sprache hat sie zum Wort des Jahres erklärt. Die „Rettungsroutine“ ist zwar nichts, was man im täglichen Smalltalk mit Freunden einsetzt. Doch bei der EU in Brüssel ist sie gut aufgehoben, wie der letzte Gipfel dieses Jahres zeigte.

Routiniert räumten die Euroretter die letzten Hürden für ein fröhliches Weihnachtsfest ab. Nach schier unendlichen Monaten des Zögerns und Zauderns gaben sie ein knapp bemessenes, aber dennoch freudig erwartetes Rettungspaket für Griechenland frei. Auch die Bankenaufsicht wurde gerettet – durch einen Kompromiss, der an gute alte Zeiten deutsch-französischer Zusammenarbeit anknüpfte.

Das Dumme ist nur: Gerettet ist mit alldem gar nichts, die Euroretter haben wieder einmal nur Zeit gewonnen. Griechenland kommt mit dem neuen Hilfskredit gerade so eben über das Neujahrsfest; schon im Januar stehen die nächsten Hürden an. Da sich Deutschland weigerte, einen großzügigen Schuldenschnitt vorzunehmen, müssen die Griechen nun um jeden Cent Hilfe betteln und bangen.

Auch die Bankenaufsicht ist kein großer Wurf. Routiniert haben sich die Euroretter auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, der gut aussieht, aber nicht viel bringt. Künftig werden nur 150 von 6.000 europäischen Banken von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt kontrolliert. Das eigentliche Ziel, den Teufelskreis aus Banken- und Staatskrisen zu durchbrechen, wird so nicht erreicht.

Auch die Reform der Währungsunion bleibt hinter den Erwartungen zurück. Routiniert haben die Euroretter den Umbau auf Juni verschoben. Vorher hatte Kanzlerin Merkel alles abgeräumt, was die Eurozone wirklich braucht: Von Eurobonds über einen Schuldentilgungsfonds bis hin zu einem Eurobudget wurde alles in die Giftkammer verdammt.

Letztlich ist die „Rettungsroutine“ also nichts anderes als ein zynisches deutsches Wort für die traurige Übung, Lösungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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