Wohnungsnot in Universitätsstadt: Erst Verständnis, dann Räumung

In Göttingen fordern Studierende bezahlbare Wohnungen und besetzen ein ehemaliges Wohnheim. Die Uni versteht das Anliegen, ruft aber trotzdem die Polizei.

Besetztes Wohnheim in Göttingen: Zehn Studierende wurden von Polizisten herausgetragen. Bild: Jakob Epler

GÖTTINGEN taz | Ulrike Beisiegel hat sich entschieden: Sie wird das Gebäude räumen lassen. Beisiegel ist Präsidentin der Georg-August-Universität Göttingen. Rund 20 ihrer Studierenden haben in der Nacht zum Donnerstag ein ehemaliges Wohnheim besetzt. Sie fordern bezahlbare Wohnungen.

Lynn ist einer von ihnen. Er führt im ersten Stock durch die staubigen Flure und öffnet Tür um Tür. Rund 60 Wohnplätze hatte es hier bis Anfang 2010 gegeben. „Es gibt eine Wohnraumproblematik in Göttingen“, sagt er, „und hier steht einfach ein riesiges Studentenwohnheim leer.“

Das Gebäude gehört der Universität. Es wurde bis Anfang 2010 vom Studentenwerk verwaltet, das die Zimmer an Studierende vermietete. Dann meldete die Uni Bedarf an und der Vertrag mit dem Studentenwerk wurde nicht verlängert. Rainer Bolli vom Gebäudemanagement der Hochschule sagt, man habe ursprünglich Forschungsprojekte in den Räumen unterbringen wollen.

Allerdings hing die Finanzierung von Geldern aus der sogenannten Exzellenzinitiative ab und da hatte sich die Universität verkalkuliert. Mitte vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Göttingen in der dritten Runde keine Mittel aus dem Bund-Länder-Programm für seine Forschung bekommen würde. Jetzt soll die Akademie der Wissenschaften in das Gebäude ziehen. Ein Wohnheim wird es dort also nicht mehr geben.

Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware

Tatsächlich sind bezahlbare innenstadtnahe Wohnungen in Göttingen Mangelware, offizielle Daten über die Entwicklung der Mieten gibt es allerdings nicht. „Was an Preisen steigt, sind aber kleine Wohnungen“, sagt Cornelius Blessin vom Göttinger Mieterverein. „Neubau findet eben in einem anderen Segment statt“, sagt er und verweist auf teure Wohnanlagen am Leinebogen oder am Nonnenstieg, die zum Teil bereits gebaut oder noch in Planung sind.

Die kommen für Studierende kaum in Frage. Aber nicht nur auf dem freien Markt werden Wohnungen knapper. Nach aktuellen Zahlen des Göttinger Statistikdienstes Gösis gab es Ende 2011 rund 5.300 Wohnheimsplätze. Zehn Jahre zuvor waren es rund 500 Plätze mehr gewesen.

„Es ist total wichtig, dass neue Wohnheimsplätze geschaffen werden“, sagt deswegen auch Pauline Wildenauer, die Referentin für Transparenz und Öffentlichkeit des Göttinger Allgemeinen Studierenden Ausschusses (Asta). Vor allem in der Innenstadt zahle man „locker 350 Euro warm“ für ein Zwölf-Quadratmeter-Zimmer. „Die Wohnsituation ist für Studierende extrem angespannt“, sagt Wildenauer.

Im Präsidium der Universität hat man deswegen scheinbar auch Verständnis für die Besetzung. Beisiegel kam und diskutierte mit den Studierenden. „Wir als Uni verstehen ihr Anliegen super gut. Wir haben das gleiche Ziel: mehr Wohnungen! Und das erreichen wir am besten gemeinsam“, sagte Beisiegel. In der kommenden Woche könne man sich ja zusammensetzen und eine Lösung finden. Es solle einen Termin am kommenden Dienstag geben. Allerdings müssten die Studierenden dafür das Gebäude freiwillig verlassen. Die wollten aber bleiben und bis Dienstag vor Ort „Ideen entwickeln und Plena abhalten“.

Dafür fehlte dann aber doch das Verständnis. „Wir empfinden das als eine gute Aktion“, sagt Präsidentin Beisiegel zwar, aber sollten die Studierenden nicht gehen, werde man die Polizei einschalten. Und so trugen Polizeibeamte gegen Mittag zehn Personen aus dem Haus. Eine Person wurde leicht an der Lippe verletzt und alle BesetzerInnen wegen Hausfriedensbruchs angezeigt.

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