Kolumne Fernsehen: Es gibt noch „Hörzu“-Leser!

Die Programmzeitschrift wirbt mit Prominenten und dem Slogan „Einer, der die Hörzu zu Hause hat“. Das ist so bieder wie das Heft selbst.

Hape Kerkeling ist „einer, der die Hörzu zu Hause hat“. Bild: Reuters

Da radele ich nichts ahnend, ein, zwei Kaltgetränke im Tank, durch Kreuzberg – und was sehe ich: einen, der Hörzu zu Hause hat. Gut, keinen richtigen Menschen, der sich auf die Fensterbank seines muggeligen Erdgeschoss-Wohnzimmers lehnt und in der Programmzeitschrift schmökert. Natürlich nicht. Wie absurd wäre das denn? Die liest doch keiner.

Sondern: Hape Kerkeling. Auf Plakaten. Die Hände zu dieser dreieckigen Angela-Merkel-Ich-führe-euch-durch-alle-Krisen-Geste gefaltet, lächelt er mich an. Darunter der Slogan: „Einer, der Hörzu zu Hause hat“. Das Plakat verfolgt mich auf dem Heimweg. An jeder Bushaltestelle sehe ich es wieder.

Das passt doch, dachte sich mein lahmes Hirn: Ein Showmaster, mit dem nichts mehr los ist, wirbt für ein Heft, mit dem nichts mehr los ist. Dazu dieser biedere graue Hintergrund, das biedere Sakko, das biedere Hemd. Da bekam ich doch mal so richtig keinen Bock auf die Hörzu, das Magazin für die dem Fernsehen zugeneigte Hausfrau der 50er und 60er Jahre.

Aber immerhin: Es scheint sie noch zu geben, diese Leute, die die Hörzu zu Hause haben. Jan Josef Liefers gehört angeblich auch dazu und Iris Berben. Alles keine Menschen, bei denen ich regelmäßig zu Gast bin. Deswegen kenne ich persönlich wohl auch keinen, der Hörzu zu Hause hat.

Auch Udo Jürgens hatte mal die "Hörzu"

Aber ich hege sowieso den Verdacht, dass die Werbekampagne, die Springer für sein kriselndes Programmheftchen fährt, auch eine ganz andere Zielgruppe als mich anpeilt. Denn angeblich greift die Werbung ein Motiv auf, das einst, als die Hörzu noch in einigen Millionen Haushalten lag, unter anderem Udo Jürgens zeigte, „einen, der Hörzu zu Hause hat“. Oder hatte. Das weiß ich nicht.

Auch bei Udo bin ich kein Dauergast. Obwohl er mich bestimmt einladen würde, wenn er wüsste, dass seine schmissige „Buenos Dias Argentina“-Platte bei mir im Regal einen Ehrenplatz einnimmt. Wie dem auch sei, jedenfalls kann diese Verknüpfung von Jürgens zu Kerkeling auch nur herstellen, wer nicht das Schicksal des Spätgeborenen mit mir teilt.

Und bei Almased wird weitergesabbert

Apropos Werbung: Mein Lieblingsspot von Almased wurde noch einmal aufgemotzt. Das Diätmittel, das nach eigener Aussage „die Bikini-Saison eröffnet“, lässt die junge Dame nun nicht mehr nur an der Seite ihrer Englischen Bulldogge (und kein Mops!! – worauf mich eine aufmerksame Leserin hinwies) zu ihrem Angebeteten die Stufen hochstöckeln, um den Mantel zu öffnen und ihn zu einem freudig-erregten „Wow. Hast du abgenommen?“ zu nötigen.

Nein, das Almased-Model mit den großen Brüsten – in der entschärften Version immerhin noch mit Abendkleid unter dem langen Mantel – trägt in dem aktuellen Spot nur noch einen gelben Bikini. Da kommen die verlorenen Pfunde noch besser zur Geltung – und die Brüste zufällig auch. Und das Grinsen des Kavaliers wirkt noch schmieriger.

Das ist mal ein Statement gegen die #aufschrei-, Brüderle- und Sexismus-Debatte. Frau präsentiert sich willfährig und definiert sich nur über Äußeres – und er findet’s geil. Bei diesem reaktionären Bild aus den 50ern könnte ich mir glatt vorstellen, dass das Almased-Paar eines ist, das die Hörzu zu Hause hat.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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