Kommentar zur East Side Gallery: Eine zweite Chance für das Spreeufer

Die Teilversetzung war lange beschlossen und vom Denkmalschutz genehmigt. Doch der Protest hält sich nur selten an Beschlusslagen, nicht einmal an die der Grünen.

Es ist ein Déjà-vu. Wie vor fünf Jahren müht sich der Bezirk gegen die Investoren, erreicht wenig bis nichts – und dann kommen die Bürger. Im Juli 2008 entschlossen sich 87 Prozent der Friedrichshainer und Kreuzberger zum „Mediaspree versenken!“. Nun fordern 6.000 Demonstranten den Erhalt der East Side Gallery. Auch Franz Schulz, der grüne Bürgermeister, wird sich verwundert die Augen reiben. Schließlich war die Teilversetzung des Denkmals lange beschlossen und mit dem Denkmalschutz abgestimmt. Doch der Protest hält sich nur selten an Beschlusslagen, nicht einmal an die der Grünen.

Es ist ein Lehrstück in Sachen Politik und öffentlicher Wahrnehmung, das da seit Dienstag gegeben wird. Auf der einen Seite steht ein Bezirk, der sich vergeblich bemühte, den Bau eines Hochhauses zu stoppen. Als „Hassobjekt“ hat Franz Schulz das „Living Bauhaus“ in der taz bezeichnet – und deutlich gemacht, dass ihn Luxuswohnungen mehr stören als ein Loch in der Mauer. Das hätte es ohnehin gegeben, argumentiert er, wenn mit dem Bau der Fußgängerbrücke begonnen wird.

Demgegenüber steht die Außenwahrnehmung. Bis in die Los Angeles Times haben es die Bagger gebracht, die sich am Freitag am längsten Rest der Mauer zu schaffen machten. Beschlüsse interessieren die Betrachter nicht, wenn es um dieses symbolische Stück Geschichte geht.

Berlin, die Stadt des Tourismus, lebt von diesem Blick von außen. Die East Side Gallery hat deshalb eine zweite Chance verdient. Der Senat kann mit einem Ausgleichsgrundstück dafür sorgen – oder Berlin macht sich vor den Augen der Welt nach dem BER erneut lächerlich.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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