EU-Studie zu illegalen Musikdownloads: Die Industrie jammert zu Unrecht

Illegale Downloads schaden dem digitalen Verkauf von Musik weniger als befürchtet, sagt eine neue Studie. An der Untersuchung nahmen 16.000 EU-Bürger teil.

Ziel der Studie war es, die Auswirkungen illegaler Downloads und legaler Streamingdienste auf den digitalen Verkauf von Musik zu untersuchen. Bild: dpa

BERLIN taz | Eine neue Studie der EU („Digital Music Consumption on the Internet: Evidence from Clickstream Data“) kommt mit überraschenden Ergebnissen daher: Illegale Downloads schaden dem digitalen Verkauf von Musik weitaus weniger, als die Musikindustrie beklagt. Die Studie stammt vom Joint Research Centre, dem Wissenschaftsservice der Europäischen Kommission, und wurde vom angehörigen Institute for Prospective Technolgical Studies (IPTS) in Auftrag gegeben. Verfasst haben sie die beiden Wirtschaftswissenschaftler Luis Aguiar und Bertin Martins.

Das Ziel der Studie war es, die Auswirkungen illegaler Downloads und legaler Streamingdienste auf den digitalen Verkauf von Musik zu untersuchen. Als statistische Grundlage dafür dienten Aguiar und Martins Daten über das Klickverhalten von mehr als 16.000 EU-Bürgern.

Diese bekamen sie von NetView, einem Service mit dem das Markforschungsunternehmen Nielsen Internetnutzung misst. Die Daten wurden über das gesamte Jahr 2011 gemessen und stammen aus den fünf bevölkerungsreichsten EU-Ländern: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien.

Für die Studie haben die Autoren Klickzahlen analysiert und daraus Rückschlüsse gezogen. Die Studie besagt, dass einer um zehn Prozent gesteigerten Klickzahl auf illegale Musikwebseiten nur eine Steigerung um 0,2 Prozent auf legalen Webseiten gegenüber stünde. Legale Streamingangebote lösten mit 0,7% eine geringfügig höhere Steigerung der Klickzahlen bei den legalen Downloadportalen aus.

Kein Zusammenhang

Für Aguiar und Martins lasse sich daraus kein nennenswerter Zusammenhang zwischen dem Konsum illegal erworbener und legal erworbener Musik schließen. Außerdem schlussfolgern sie aus ihren Auswertungen, dass die überwiegende Mehrheit der Nutzer illegaler Downloadportale die Musik nicht auf legale Weise erworben hätte, selbst dann nicht, wenn ihnen keine illegalen Wege zur Verfügung stünden.

Insgesamt sei daher festzuhalten, dass der illegale Erwerb den legalen nicht ersetze, so Aguiar und Martins. Zwar werden bei illegalem Download von Musik Urheberrechte verletzt, ein größerer Schaden an den Einnahmen durch digitale Musik sei jedoch nicht zu befürchten.

Auffallend sind auch die zum Teil erheblichen Unterschiede der Ergebnisse unter den Ländern. Verglichen mit Deutschland weise Spanien bei illegalen Downloadportalen 230 Prozent mehr Klicks auf. Auf die Ursachen gehen die Autoren nicht weiter ein. Es gäbe mehrere Gründe, auch kultureller Herkunft, für solche Unterschiede.

Onlinepiraterie

Studien über die Auswirkungen illegaler Downloads auf die Musikindustrie hatte es schon zuvor gegeben. Diese beschränkten sich allerdings auf die Auswirkungen auf den physischen Markt in Form von CD-Käufen und anderen analogen Vertriebsweisen.

Dort stellte sich schnell ein Konsens ein, dass Onlinepiraterie der Branche tatsächlich schadet. Beispiele einiger dieser Studien sind „The Effect of Internet Piracy on Music Sales“ von Martin Peitz und Patrick Waelbroeck (2004) oder „Measuuring the Effect of Filesharing on Music Purchase“ von Alejandro Zentner aus dem Jahr 2006.

Luis Aguiar und Bertin Martins war es deshalb wichtig, zu betonen, dass sich ihre Studie auf den den digitalen Erwerb von Musik bezieht. Den erlittenen Schaden der gesamten Musikbranche wollten sie dadurch nicht relativieren. Politische Empfehlungen aufgrund ihrer Ergebnisse wollten die Autoren explizit nicht geben.

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