Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin: Die letzten Pandabären

Das Jüdische Museum in Berlin geht der Frage nach, was jüdisch ist. Angst vor der Kontroverse hat die Ausstellung „Die ganze Wahrheit“ dabei nicht.

Was passiert mit den Zetteln in der Klagemauer? – Rabbiner bei Aufräumarbeiten. Bild: Western Wall Heritage Foundation

In einer Ecke des Jüdischen Museums Berlin sitzt ein Jude in einer Vitrine, um die Neugier von Besuchern zu befriedigen, die ihm Fragen stellen möchten. Leeor Engländer heißt der junge Mann, der sonst als Kolumnist bei der Welt tätig ist. Als Jude in Deutschland sitze man sowieso immer im Glaskasten, meint er.

Oliver Polak, jüdischer Comedian aus Papenburg, sieht das ähnlich. Er hat die deutschen Juden mit Pandabären verglichen, einer Tierart, die fast ausgerottet wurde und deren verbliebene Exemplare nun unter besonderem Schutz stehen.

Wenn eine Minderheit so klein ist wie die jüdische Community in Deutschland, der gut 100.000 Menschen angehören, kann man nicht erwarten, dass sie normaler Bestandteil des Alltags ist. Insofern ist verständlich, dass die Mehrheitsgesellschaft wenig Kenntnisse über das Leben dieser Exoten besitzt, weswegen es eine gute Idee des Jüdischen Museums ist, Licht ins Dunkel zu bringen. Als Besucher der Schau ist man dankbar dafür, dass sie ihre Aufklärungsarbeit auf unterhaltsame Weise und mit Humor betreibt.

Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Museums, meint, es gebe keine richtigen Antworten auf die dreißig Fragen, die in der Schau gestellt werden. Eine davon lautet: „Kann man einen Schlussstrich unter den Holocaust ziehen?“ Die Antwort ist ein großformatiges Foto, auf dem Rina (78) und Herbert (86) abgebildet sind. Sie sitzen am Küchentisch, an der Wand hinter ihnen hängt ebenfalls ein Foto. Darauf kann man das Eingangstor von Auschwitz sehen.

„Ask the Rabbi“

Was ist überhaupt ein Jude? Diese Frage beantworten einige männliche und weibliche Rabbiner in der Videoinstallation „Ask the Rabbi“: Jude ist gemäß Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, wer eine jüdische Mutter hat oder konvertiert ist.

Aus orthodoxer Warte lasse sich die Frage einfach beantworten, trotzdem sei sie unfair, ergänzt einer der Rabbiner. Die Antwort hänge von der Perspektive ab. Eine unorthodoxe Perspektive hat der israelische Staatsgründer David Ben Gurion eingenommen: „Für mich gilt jeder als Jude, der meschugge genug ist, sich selbst Jude zu nennen.“ Das ist eine Haltung, die man zionistisch, aber auch einfach nur modern nennen kann.

Das Versprechen der Schau, man erfahre endlich die „ganze Wahrheit“ über Juden, ist selbst ein ziemlich guter Witz, weil die meisten Leute in Deutschland zwar wenig Ahnung von Juden haben, ihre eigenen Projektionen aber für die Wahrheit und ihr obsessives Verhältnis zum Nahostkonflikt für kritisches Bewusstsein halten.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man nicht die Deutschlandreportage von Tuvia Tenenbom gelesen haben. Man muss bloß die Zeitung lesen. An einer Wand haben die Kuratorinnen Philip Meinholds in der taz erschienenen Artikel „Der ewige Israeli: 10 Tipps für einen israelkritischen Text“ reproduziert.

Tipp Nummer 8: „Wenn sie etwas schreiben wollen, für das Sie keine Belege haben: Formulieren Sie es als Frage oder Andeutung! Fragen Sie zum Beispiel mit Jakob Augstein: ’Wem nützt die Gewalt?’ Und antworten Sie sich selbst: ’Und dieses Mal auch – wie nebenbei – den US-Republikanern und der israelischen Regierung.’“

Statements zur Beschneidung

„Die ganze Wahrheit“ hat keine Angst vor der Kontroverse. An einer Videostation sind Statements zur Beschneidung zu hören. Es kommen Leute zu Wort, denen die Beschneidung als essenzieller Bestandteil des Judentums gilt. Der jüdische Historikers Michael Wolfssohn meint hingegen, dass in der Moderne möglicherweise andere Wege zu finden wären, die Hingabe an Gott zu symbolisieren, um die es bei der Beschneidung gehe.

Auch die Hobbyjudaisten, von denen es in Deutschland womöglich mehr gibt als Juden, können in dieser Ausstellung noch einiges lernen. Zum Beispiel, dass es katholische Juden gibt, dass Underberg koscher ist und Justin Bieber ein hebräisches Tattoo hat. Aber auch, was Sammy Davis jr. auf dem Golfplatz antwortete, als er gefragt wurde, was sein Handicap sei: „Ich bin ein einäugiger schwarzer Jude.“

Falls Sie im Laufe des Tages einen Pandabären treffen sollten, dann wünschen Sie ihm oder ihr ein frohes Fest. Am Dienstag ist der erste Tag von Pessach.

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