Fahrgäste warten auf Entlastung: Zu viele Züge auf dem Abstellgleis

Die Bahnindustrie fordert eine Reform des Zulassungswesens in Deutschland. Denn viele fertige Fahrzeuge können immer noch nicht auf die Schiene.

Müssten nicht so leer sein: Schienen in Deutschland. Bild: dpa

BERLIN taz | Die deutsche Bahnindustrie blickt in eine schwierige Zukunft: Die Branche plagen nicht nur Auftragseinbrüche aufgrund der schwachen Weltkonjunktur und geringe staatliche Investitionen in die Infrastruktur. Vor allem bereitet den Unternehmen die Zulassung neuer Fahrzeuge in Deutschland große Probleme. „Deutschland leistet sich ein Zulassungswesen, das mit der technologischen Entwicklung nicht Schritt hält“, sagte der Chef des Bahnindustrieverbandes, Michael Clausecker, am Dienstag in Berlin.

Die Folgen können enorm sein – auch für die Fahrgäste. Denn wenn die von den Bahnunternehmen gekauften Züge nicht auf die Schienen dürfen, fehlen Fahrzeuge für den Einsatz. Wegen fehlender Zulassungen hätten Ende vergangenen Jahres rund 140 hochmoderne Züge im Wert von rund 550 Millionen Euro buchstäblich auf dem Abstellgleis gestanden, so Clausecker.

Die Schuld daran sieht Clausecker nicht in erster Linie bei den Unternehmen, die die Züge bauen, sondern beim Bundesverkehrsministerium und beim Eisenbahnbundesamt. Bereits vor vier Jahren habe der Bahnindustrieverband auf das Zulassungsproblem aufmerksam gemacht – ohne Erfolg. Clausecker: „Wir haben viel Zeit verloren.“

Dass die Unternehmen mangelhafte Unterlagen bei der Zulassungsbehörde eingereicht haben könnten, sieht Clausecker nicht als Problem an. „Wenn man seitens des Eisenbahnbundesamtes immer wieder Nachforderungen stellt, ist klar, dass nicht immer alle Unterlagen vollständig sein können.“

Zehnmal mehr Unterlagen

In Deutschland benötige man zehnmal mehr Unterlagen, um einen Zug zuzulassen als in anderen Ländern, so Clausecker. „Dort kriegen wir die Züge auch pünktlich auf die Schiene.“ Clausecker forderte eine grundlegende Reform des Zulassungswesens.

Die Detailarbeit sollten dann private Unternehmen, etwa TüV oder Dekra, übernehmen; die staatliche Zulassungsbehörde sollte deren Ergebnisse bewerten. In anderen Branchen, etwa beim Flugzeug- oder Automobilbau, funktioniere es auch ähnlich.

Die Zulassung von Fahrzeugen ist alles andere als trivial – geht es doch letztlich um Leben und Tod, weil technische Defekte zu Unglücken führen können. Vielen Beteiligten im deutschen Eisenbahnwesen dürfte das schwere ICE-Unglück in Eschede eine Warnung sein, bei dem im Jahr 1998 mehr als 100 Menschen starben. Ursache damals war: ein Ermüdungsbruch eines Radreifens.

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