Kolumne Luft und Liebe: Zwangsjacken aus Spitze

Zwei Brüste, drei Körbchengrößen. Das Leben mit BHs ist kompliziert. Verbrennen sollte man sie trotzdem nicht – höchstens tauschen.

Hoffentlich muss sie jetzt nicht zum Bus rennen. Bild: dpa

„Übrigens hab ich ja die schönsten Titten der Welt“, sagte meine Freundin A., als ich ihr erzählte, dass ich BHs shoppen war. „Hast du gerade gesagt, du hast schönere Brüste als ich?“, fragte ich. Wir einigten uns ziemlich schnell darauf, dass es viele schönste Titten der Welt gibt. Mindestens vier.

Ich bin nicht so eine coole Sau wie meine Kollegin Julia Seeliger, die sich ihre Unterwäsche per Crowdfunding finanzieren ließ. Einmal im Jahr gehe ich neue BHs kaufen, und ich muss alles selber bezahlen, und dieses ganze Anprobieren und Zurechtrücken dauert länger als ein Autokauf.

Total lächerlich, diese schwedische Wäschefirma, deren Mitarbeiterinnen auf ihren Namensschildern ihre Körbchengröße tragen sollten. Ja, meine Güte, natürlich ist das bekloppt und sexistisch. Aber vor allem ist es unprofessionell. Wenn es denn so einfach wäre, dass eine Frau nur eine Körbchengröße hat. Allein ich habe drei. Obwohl ich auch nur zwei Brüste hab. Aber je nach Hersteller, Modell und so weiter hab ich entweder Größe 70D oder 75C oder 85B.

Der Tag, an dem eine Wäscheverkäuferin mich vermaß und mir erklärte, wie BH-Größen zustande kommen und dass es so etwas gibt wie Kreuzgrößen und dass viele Frauen genau zwischen zwei oder eben drei Größen liegen, dieser Tag hat mein Leben verändert. All die Jahre zuvor trug ich immer 75B, so wie alle Welt um mich herum immer 75B trug. Aber alle Welt kam auch abends nach Hause und riss sich die kneifenden, quetschenden Dinger vom Leib.

„Warum trägst du die Teile überhaupt?“, hatte mich A. neulich erst gefragt, als ich abends zu ihr kam. Sie machte Kaffee, ich ließ mich aufs Sofa fallen und sagte, „sorry, ich muss mich erst mal ausziehen“, weil ich einen blöden, trägerlosen BH trug. „Warum ich die trage?“, sagte ich, „guck.“ Ich zog mein Oberteil hoch und hüpfte. „Ich möchte das nicht. Wenn es wackelt, tut es weh, ganz einfach“, sagte ich. A. nickte und betrachtete das Nachbeben. Ihr Glück, dass sie keine BHs braucht.

Weil Brüste so unterschiedlich sind, ist auch die Geschichte mit der feministischen BH-Verbrennung bescheuert. Zugegeben, die 75Bs, die ich früher trug, diese Zwangsjacken aus Spitze, hätte ich am Tag meiner Körbchengrößenerleuchtung am liebsten verbrannt. Ich schenkte sie stattdessen einer Freundin, der sie passten. Ausziehen und tauschen statt verbrennen! (Da merkt man auch mal, aus welcher Zeit dieser Verbrennungs-Mythos kommt. Heute wird recycelt.) Meine neuen BHs aber, die, die machen, dass ich Treppen runterrennen kann oder dem Bus hinterher, die verbrenne ich sowieso nicht. Die wasche ich höchstens aus Versehen mit den falschen Farben zusammen.

Irgendwann kam A.s Mitbewohner zu unserem Schönste-Titten-der-Welt-Gespräch dazu. Als er hörte, dass wir über BHs sprachen, verdrehte er die Augen. Es war dieser „Habt ihr keine anderen Probleme?“-Blick. „Sei froh, dass Männer keine Schwanzhalter brauchen“, fauchte A., und der Mitbewohner grinste: „Ich würde einfach den größten nehmen, den es gibt.“ Einer von uns lachte, zwei verdrehten die Augen.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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