Jazzland Israel: Der Sound der Immigration

Jazz aus Israel ist ein Schwerpunkt beim Festival „Jazzahead“ in Bremen. Viele der Musiker sind aus New York nach Israel zurückgekehrt

Wandler zwischen den Welten: Avishai Cohen. Bild: Lucille Reyboz

Israel ist ein Land unter Dauerdruck, das zeigten auch die Schlagzeilen zum 65. Jahrestag der Staatsgründung: erneuter Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen, ungebannte Atomgefahr aus dem Iran, umstrittener Siedlungsbau, zunehmender Antisemitismus weltweit.

Doch das Muster, das sich gerade in krisenhaften Situationen der Bedrängnis eine besondere kulturelle Produktion ihren Weg bahnt, trifft auch hier. In Israel lässt sich dies in der jüngsten Vergangenheit besonders am Jazz beobachten.

Dieser Entwicklung will die achte Ausgabe der Bremer Fachmesse Jazzahead mit einem Schwerpunkt aus israelischer Musik und Kultur Rechnung tragen. „Uns geht es darum, mit Israel ein Land zu präsentieren, das noch nicht so richtig auf der Jazz-Landkarte präsent ist“, sagt der Musikjournalist Peter Schulze, einer der künstlerischen Leiter des Festivals.

Dabei haben sich in den vergangenen zehn Jahren bereits eine Vielzahl an israelischen Jazzmusikern mit unterschiedlichstem Sound und variabler Stilistik in den Vordergrund gespielt.

Junge Talente

Einer von ihnen ist der Bassist und Sänger Avishai Cohen, der bei Jazzahead das einzige abendfüllende Konzert geben wird. Ansonsten setzt das Festival auf kurze Showcase-Konzerte zur Vermittlung an Agenturen und Labels. Cohen steht exemplarisch für eine jüngere Entwicklung innerhalb der traditionsreichen Verbindung zwischen US-amerikanischem und israelisch-jüdischem Jazz. Seit den sechziger Jahren sind israelische Jazzer in die USA gegangen, speziell nach New York.

Seit einigen Jahren kehren viele wieder zurück, wie auch Avishai Cohen. Eine entscheidende Person für die so entstehende neue Welle israelischen Jazz in der jüngeren Vergangenheit war der in Brooklyn geborene Tenorsaxofonist und Musikpädagoge Arnie Lawrence, der 1997 nach Jerusalem kam. Dort gründete er das International Center for Creative Music für jüdische und arabische Talente. „Arnie Lawrence war ein Magnet für junge Musiker“, sagt Peter Schulze über den 2005 gestorbenen Wegbereiter eines neuen, ungemein selbstbewussten israelischen Jazz.

Avishai Cohen wuchs im Kibbuz Kabri im Norden Israels auf und ließ sich zunächst vom knackigen Klang des E-Bassisten Jaco Pastorius inspirieren. Später wechselte er zum Kontrabass und ging nach New York, wo er unter anderem im Trio von Chick Corea spielte. 2004 kehrte er nach Israel zurück. Mit seinem Pianotrio entwirft Cohen magisch-beseelte Soundlandschaften und schreibt hymnische Songs, in denen sich die ganze Vielfalt an Einflüssen aus Nordafrika und dem Nahen Osten, aber auch aus Rock, Kammermusik und hebräischen Volksliedern wiederfindet.

Jazz entspricht der Mentalität

„Der Charakter von Jazz, das rhythmische und freie Element, entspricht der israelischen Mentalität. Israel mit seinen Einflüssen von Immigranten aus aller Welt und seiner Ethik des Individualismus ist ein Melting Pot wie New York“, hat der Gitarrist Roni Ben-Hur einmal der Zeitschrift Jazztimes gesagt.

Das ist zu hören im Sound des Duos Malox oder der irakisch-kurdischstämmigen Sängerin Ilana Eliya, die bei der Israeli-Night der Jazzahead auftreten. Bei Malox findet sich eher die aschkenasische Tradition von Klezmer und Balkan-Folklore mit Wurzeln in Mittel- und Osteuropa. Die mit Irokesenschnitten ausgestatteten Musiker von Eyal Talmudi (Saxofonist, Klarinette und Dudelsack) sowie Aviv Bonen an den Drums spielen einen hochenergetischen Mix aus treibender Punkpolka und hynotischem Klezmer. Mitunter erinnert die karge Wucht ihrer Musik an den jazzigen Postpunk des Briten Ted Milton mit seiner Band Blurt. Ein weiterer Protagonist der Israeli-Night ist der in Israel geborene Saxofonist Daniel Zamir. Auch er kehrte von New York nach Israel zurück, seitdem er dort ein engeres Verhältnis zu seinem jüdischen Glauben entwickelt hatte.

Bereits zur Eröffnung der achten Jazzahead am 25. April tritt die Sängerin Ilana Eliya auf. Sie zentriert ihre Musik um den Gesang von Juden in Kurdistan. Ihre ausdrucksstarke Stimme, auch in hebräischer und arabischer Sprache, begleitet von einer traditionell kurdischen Band, schöpft thematisch aus dem vollen Leben: Politik, Emanzipation, Freiheit. Themen, um die es sich häufig dreht, wenn man von Israel spricht.

Jazzahead, 25. bis 28. April, Bremen. Programm:
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