„Arte“-Serie „About: Kate“: Der große Psychotest

„Arte“ versucht der multimedialen Überforderung des Menschen nachzuspüren. Heraus kommt die sehenswerte Serie „About:Kate“.

Kate ohne Facebook: Und, wie geht es Ihnen damit? Wie fühlt sich das an. Bild: Ulmen tv

Kate Harff ist Ende 20 und lässt sich in die Psychiatrie einweisen, weil sie nicht mehr so genau weiß, wer sie ist: Sie hat sich selbst einen Facebook-Overkill zugefügt. Kate kann nicht mehr auseinanderhalten, was ihr virtuelles Alter Ego ist und was ihre reale Persönlichkeit. Über sich selbst sagt sie im Internet, dass sie alles immer nur für andere gemacht hat. Und nicht mehr weiß, was sie will.

Also weist sie sich selbst ein, mit Laptop und Smartphone im Gepäck. Aus der Klinik heraus postet und kommentiert sie weiter. Das Besondere: Kate Harff hat in unserer Welt außerhalb des Films auch ein Facebookprofil, das „sie“ aktiv betreibt. Und das Teil eines „crossmedialen Experiments“ einer neuen Serie auf dem französisch-deutschen Sender Arte ist.

Denn wie es der Protagonistin ergeht, lässt sich auch außerhalb der Serie über ihre Facebookseite und auf der Arte-Homepage mitverfolgen. Fotos, Videos und Kommentare können Kate Harff geschickt werden. Einige davon schaffen es dann in die Serie. Was dem Genre Fernsehen sonst an Interaktionsmöglichkeit fehlt, wird hier auf die Spitze getrieben. Auch per App ist die Protagonistin erreichbar.

Dazu gibt es einen Psychotest zum Selbermachen. Das Überangebot an Crossmedialem, das manche erschlagen wird, ist beabsichtigt, sagt die Regisseurin und Drehbuchautorin Janna Nandzik: „Weil wir innerhalb der Serie diese Crossmedialität und das Virtuelle hinterfragen und schauen, inwieweit es uns wirklich überfordert, ob man es so dosieren kann, wie man es haben möchte.“

Egoist oder Hippie?

Sucht man Kate bei Facebook, findet man sie sofort: Kate Harff wohnt in Berlin, liebt besonders ältere Filme, mag das Rolling Stone Magazine, aber auch „Freimodekultur der FH Bielefeld“, steht auf Indiemusik und Kunst. Neben vorteilhaften Profilfotos gibt es hunderte weitere Bilder von Filmausschnitten, Kunst oder Illustrationen. Kate legt, wie viele UserInnen auf Facebook, ihr gesamtes kulturelles Kapital offen – und brüstet sich so damit indirekt. Die virtuelle Selbstdarstellung par excellence. Bei der die realen UserInnen genauso mitmachen.

Die Posts, die Kate erhält, scheinen fast alle von Macbook-NutzerInnen aus der Mittelschicht zu stammen. So lesen sich auch die Themen, um die es in den ersten Sendungen geht, ein wenig wie Titel aus dem Mittdreißiger-Magazin Neon: Egoist oder Hippie? Wie beziehungsfähig bist du? Bisher ein augenscheinlich recht homogenes Publikum, das mit Kate befreundet sein will.

Janna Nandzik sagt dazu: „In der Serie finden sich sehr überzeichnete Charaktere, denen wir auch im Internet begegnen, weil dort die Dinge auch sehr catchy, sehr verkürzt sind. Stereotype und Klischees wie Nerd, Geek, Hipster.“

Süchtig, aber langsam

Dass das Publikum genau „in der gleichen Tonalität“ antwortet, damit hatte Nandzik nicht gerechnet. Was Kate von ihren ZuschauerInnen scheidet, ist letztlich nur das Extreme, Überzeichnete: Ihrer Therapeutin erzählt sie, sie habe im wahren Leben keinen einzigen Freund mehr. Zwischen Posten, Kommentieren und Liken hat Kate sich selbst vollständig verloren. Ihren 30. Geburtstag verbringt sie in der Psychiatrie. Es ist der 27. April – der Tag, an dem auch die Serie anläuft.

Ihr Aufenthalt dort wird nicht dokumentarisch gezeigt, sie ist nicht nur eine Figur, die sich mit den Beiträgen der ZuschauerInnen auseinandersetzt. „About:Kate“ funktioniert als Fernsehserie mit glaubwürdigen Charakteren. Kate wird gespielt von Natalia Belitski, die bereits bei „Soko Leipzig“ und im „Tatort“ zu sehen war und seit 2011 Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin ist.

Für eine Social-Media-Süchtige ist Kate Harff allerdings ziemlich langsam: Eine Freundschaftsanfrage bei Facebook beantwortet sie erst nach einer Stunde.

„About: Kate“: Arte Sa., 23.45 Uhr

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