Handballclub TV Großwallstadt: Legende am Abgrund

Die Gehälter sind noch nicht überwiesen, die Spieler streiken für einen Tag. Dem Traditionsclub droht der erste Abstieg in seiner Geschichte.

Ein Bild aus besseren Tagen: Der Großwallstädter Kurt Klühspies setzt 1978 zum Wurf gegen Askö Linz an. Bild: dpa

Es könnte eine historische Saison für den TV Großwallstadt werden. Nicht etwa, weil in dem Städtchen in Unterfranken wie in den siebziger und achtziger Jahren mal wieder eine Meisterfeier ansteht. Nein, der sechsmalige Champion der Handball-Bundesliga steckt tief in der Patsche.

Mit vier Punkten Rückstand auf das rettende Ufer liegt der Liga-Dino auf dem drittletzten Tabellenplatz. Aus eigener Kraft kann er den ersten Abstieg seiner Geschichte nicht mehr verhindern. Die Menschen in der Region, denen in puncto Leistungssport sonst nicht viel geboten wird, müssen jetzt auf Ausrutscher der Konkurrenz hoffen. Am vergangenen Freitag traten dann auch noch die Spieler in den Streik. Der Verein hatte die Gehälter nicht überweisen können.

Geschäftsführer Guido Heerstraß beschwichtigt: Der „trainingsfreie Tag“ sei gemeinsam von Klubführung und den Leitspielern der Mannschaft beschlossen worden, erklärt der ehemalige Rückraumspieler. Die Konzentration der Spieler wäre wegen der Situation einfach nicht zu 100 Prozent da gewesen, sagt er und räumt ein, dass Teile der Gehälter nicht pünktlich überwiesen werden konnten. Grund für die Finanzprobleme sei unter anderem das laufende Lizenzierungsverfahren für die Profiligen, sagt Heerstraß. Das Geld werde aber noch im Laufe der Woche auf den Konten der Spieler eingehen, beteuert er.

Marcus Rominger von der Spielergewerkschaft GOAL hält aufgeschobene Gehaltszahlungen nicht nur für ein Problem beim TV Großwallstadt. Zum Ende einer Saison laufe es bei vielen Vereinen so ab. „Es wird oft in Kauf genommen, dass die Jungs ihr Geld später bekommen.“ In vielen Fällen würden die Sponsoren mit ihren Zahlungen hinterherhinken, manchmal habe ein Verein einfach über seine Verhältnisse gelebt.

Handwerkliche Fehler

Den Abwärtstrend bei dem Traditionsverein macht Rominger, der zwischen 2005 und 2011 selbst für den TV Großwallstadt zwischen den Pfosten stand, an handwerklichen Fehlern des Managements fest. „Irgendeine Komponente in der Vereinsführung hat nicht gegriffen“, sagt der ehemalige Handball-Torwart. Aus dem Mannschaftskreis heißt es, der Verein habe in der jüngeren Vergangenheit zu viel Geld investiert. Hinzu kommt, dass die Heimstätte, die Unterfrankenhalle in Aschaffenburg, Sponsoren nicht die Möglichkeiten wie die Arenen in anderen Städten bietet.

Rominger sieht auch strukturelle Nachteile im Vergleich mit den Klubs in den Metropolregionen. Es sehe so aus, als ob ländliche Vereine gegen aufstrebende Klubs wie den HSV Hamburg und die Füchse Berlin auf lange Sicht nicht mithalten könnten. Auch Heerstraß gibt zu, dass die ländlichen Vereine sich derzeit etwas schwertun würden.

Der Erfolg der Klubs in den Großstädten sei aber kein Selbstläufer, schränkt Rominger ein. Es gebe dort zwar gute Strukturen, um erfolgreiche Vereine aufzubauen. Dies bedeute aber viel Arbeit im Hintergrund. Gerade der HSV habe einige Jahre gebraucht, um sich in der Spitze der Liga zu etablieren.

Gute Ergebnisse auf dem Land

Zudem gebe es auch in den ländlichen Regionen Vereine, die zeigten, dass auch dort gute Ergebnisse geholt werden können – sportlich wie wirtschaftlich. Hierzu zählt er die baden-württembergischen Teams von Frisch Auf Göppingen und HBW Balingen-Weilstetten, die sich im Mittelfeld der besten Handballliga der Welt etabliert haben.

Im Tabellenkeller, einen Platz vor dem TV Großwallstadt, rangiert derzeit der VfL Gummersbach. Der Verein aus dem Oberbergischen, ebenfalls ein Liga-Urgestein, ist ein Beispiel dafür, dass die Orientierung hin zur Großstadt nicht immer von Erfolg gekrönt ist. So haben sich die Verantwortlichen dort mit dem zwischenzeitlichen Umzug in die Köln-Arena übernommen. Inzwischen stehen die Zeichen aber wieder auf Konsolidierung. Zur kommenden Saison wird eine neu gebaute Halle mit mehr als 4.000 Plätzen bezogen.

Auch wirtschaftlich ging es zuletzt aufwärts. Im letzten Quartal 2012 schrieb der Klub nach eigenen Angaben erstmals wieder schwarze Zahlen. Eine Entwicklung, auf die der TV Großwallstadt mit Neid blicken dürfte – wie auch auf den Tabellenplatz. Aber egal ob es letztlich die Unterfranken oder die Gummersbacher erwischt, die Handball-Bundesliga wird in der kommenden Saison wohl um einen Traditionsverein ärmer sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.