Psychologin über gewalttätige Frauen: „Frauen töten bewusst“

Mindestens ein Fünftel aller Gewalttäter in Partnerschaften sind Frauen. Die Psychologin Rita Steffes-enn über weibliche Aggressionen

Auch von Frauen kann häusliche Gewalt ausgehen. Bild: photocase / froodmat

taz: Frau Steffes-enn, gerade findet in Berlin ein Kongress des Vereins Wildwasser statt, der sich mit sexualisierter Gewalt an Mädchen und Frauen beschäftigt. Sie werden dort über gewalttätige Mädchen und Frauen reden. Frauen und Gewalt, das scheint sich zu widersprechen.

Rita Steffes-enn: Gewalt ist kein ausschließlich männliches Phänomen. Beide Geschlechter tragen zu gleichen Teilen Aggressionen in sich. Das ist auch gut so, sonst hätten Frauen nämlich keine Energiequelle.

Frauen üben Gewalt als Gegenwehr aus?

Es gibt Frauen, die sich durch Schlagen und Prügeln verteidigen, wenn sie beispielsweise von ihrem Partner angegriffen werden. Aber es gibt auch welche, die brauchen keinen Anlass, die versuchen, einen Konflikt gewaltsam zu lösen, weil sie andere Lösungen für nicht geeignet halten. Andere Frauen schlagen ihre Kinder. Manche Mütter machen ihre Kinder dafür verantwortlich, dass ihr Leben nicht so ist, wie sie es gerne hätten. Und es gibt Mädchen, die üben als Clique Gewalt aus. Das heißt, sie ziehen durch die Straßen und schlagen andere, um zu zeigen, dass sie der Boss sind.

Geht es also um Macht – so wie bei der Männergewalt?

Weibliche Gewalt richtet sich häufig gegen enge Bezugspersonen, da geht es oft um Freundschaft und Liebe. Männer wollen häufiger demonstrieren, dass sie der Stärkere sind.

ist Kriminologin und arbeitet im Institut für deliktbezogene Täterarbeit in Rheinland-Pfalz zu den Schwerpunkten Stalking, Gewalt- und Sexualdelinquenz.

***

Geschlechtergewalt

Nicht nur Boris Becker hat Gewalt von seiner Exfrau Barbara erfahren (Bild: „Babs hat mich geschlagen“). Jungen und Männer sind oft Opfer von Gewalt. Das wird auf dem Kongress zum 30. Geburtstag des Vereins Wildwasser diskutiert, der heute noch in Berlin stattfindet.

Einer Studie des Familienministeriums zufolge hat jede vierte Frau Gewalt durch einen engen Vertrauten erlebt – von einer Ohrfeige bis hin zu regelmäßigen Misshandlungen und Vergewaltigungen. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik begehen Frauen 20 Prozent aller Gewalttaten gegen den Intimpartner. (sis)

Wie viele Frauen und Mädchen üben Gewalt aus?

Laut der polizeilichen Kriminalstatistik sind bei Gewalt gegen Intimpartner ein Fünftel der Täter weiblich. Ihre Opfer sind sowohl Frauen als auch Männer.

Der Großteil aller Gewalttaten wird – entgegen der Behauptung von Männerrechtlern – demnach von Männern verübt?

Es gibt Dunkelfeldstudien, die von einer etwa gleichen Verteilung ausgehen. Gleichwohl sind Männer häufiger Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum als Frauen, Männer sind dabei überwiegend Opfer von Männern.

Schlagen Frauen weniger hart zu als Männer?

Wenn Frauen gewalttätig sind, führt das seltener zum Tod des Opfers als bei männlicher Gewalt. Frauen hingegen werden durch Intimpartnergewalt häufiger stärker verletzt als Männer. Aber wenn Frauen töten wollen, sind sie oft erfolgreicher als Männer.

Das müssen Sie erklären.

Frauen töten häufiger bewusst und seltener im Affekt. Sie warten beispielsweise ab, bis ihr Opfer schläft, sodass es sich nicht wehren kann, und nutzen Gegenstände als Waffe.

Warum machen sie das?

Manche Frauen fürchten eine Eskalation der Gewalt, die sie in der Vergangenheit häufig durch den Partner erlebt haben. Sie sehen für sich keine andere Möglichkeit, sich aus der Gewaltspirale zu lösen.

Werden Opfer auf diese Weise zu Täterinnen?

Das kann passieren. Wobei man vorsichtig sein muss, Gewalt einzig geschlechterstereotyp zu betrachten: Opfer gleich weiblich, Täter gleich männlich. Besonders gern wird das bei Sexualtäterinnen getan.

Wie meinen Sie das?

Es gibt Frauen, die sexuell missbrauchen, nötigen oder gar vergewaltigen, die Opfer aber können männlich oder weiblich sein.

Wie soll das gehen?

Für eine Penetration ist ein Penis nicht zwingend notwendig. Es wäre auch vermessen zu glauben, dass jeder Mann mit einer Frau, die er sexuell attraktiv findet, zu jeder Zeit Lust an sexuellen Handlungen verspürt. Das ist geschlechterstereotypes Denken und durchaus als Mythos zu bezeichnen. In Deutschland wird glücklicherweise sexuelle Nötigung als sexuelle Gewalt angesehen, wenn Frauen hierbei Opfer sind. Das muss aber auch für männliche Opfer von weiblichen Tätern gelten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.