Kommentar Weltklimabericht: Viel Sonne brennt das Hirn weg

Daten und Modelle zeigen, dass der Klimawandel immer bedrohlicher wird. Alle bekunden ihre Besorgnis, aber getan wird wenig.

Trockenheit in Folge des Klimawandels: hier auf einer Farm in China. Bild: reuters

Die schlechte Nachricht zuerst: Im neuen Weltklimabericht, der heute präsentiert wird, wird nur im Detail Neues stehen. Alle Daten und Modelle zeigen, dass der Klimawandel voranschreitet. Spezialdebatten über das Ausbleibend der Erwärmung oder Attacken auf den Weltklimarat IPCC können nicht verdecken, dass das Freiluftexperiment mit unserem Planeten, genannt Klimawandel, immer bedrohlicher wird.

Die nächste schlechte Nachricht: Passieren wird kaum etwas. Zwar werden Regierungen und Umweltgruppen ihre Besorgnis bekunden. Aber bereits bei den UN-Klimaverhandlungen in Warschau im November wird der IPCC-Bericht nur noch geduldiges Papier sein.

Es ist absurd: Kaum ein anderes Thema ist für uns so wichtig, so gut erforscht und so rentabel wie der Klimaschutz. Und trotzdem hat er inzwischen den gleichen Status wie der Wunsch nach einer atomwaffenfreien Welt: Wäre echt toll. Steht aber gerade nicht an.

Der Weltklimarat IPCC warnt in seinem neuen Sachstandsbericht vor einem um gut ein Drittel höheren Anstieg der Meeresspiegel als bislang prognostiziert. Die Meeresspiegel drohten bis zum Jahr 2100 je nach Szenario um 26 bis 82 Zentimeter zu steigen, heißt es in der Zusammenfassung des ersten Teils des Berichts, die am Freitag in Stockholm verabschiedet wurde. In seinem vierten Sachstandsbericht von 2007 hatte der IPCC noch Anstiege zwischen von 18 bis 59 Zentimetern vorhergesagt.

Das hat viele Gründe. Der Klimawandel hatte seinen Erregungshöhepunkt vor ein paar Jahren – mit Hollywood-Prominenz, Friedensnobelpreis und allem Drumherum. Dann ist immer irgendwo Wirtschafts- oder Eurokrise und deshalb gerade keine Zeit. Dass wir nichts tun, liegt aber vor allem daran, dass wir seit Jahrzehnten in der Klimapolitik eine Weltgemeinschaft beschwören, die es so nicht gibt: WIR müssten handeln, weil es für UNS das Beste ist. Das stimmt zwar, ist aber völlig unrealistisch.

Im Zweifel handelt jedes Land und jeder Mensch für sich selbst. Oder auch nicht. Denn, das ist vielleicht das größte Hindernis, wirklicher Klimaschutz geht mitten ins Herz unserer Gesellschaft und Wirtschaft: Wer der künstlich billigen fossilen Energie ein Ende bereiten will, bekommt es mit gewaltigen Widerständen aus Industrie, Politik und Bevölkerung zu tun.

Dagegen hilft eine wolkige „Weltgemeinschaft“ überhaupt nicht. Die schaut ja auch im Fall Syrien betreten zur Seite. Vielleicht brächte eine große Ökokatastrophe den Umschwung, vielleicht ein Durchbruch der Technik, sicherlich mehr Markt, wenn Kohlenstoff endlich einen globalen Preis bekäme. Aber wer soll so etwas durchsetzen? Eine UN-Diplomatie, die sich seit 15 Jahren bis zur Erschöpfung über die Tagesordnung von Klimakonferenzen streitet?

Weil das WIR versagt, muss das ICH ran. Klimaschutz geht nur konkret. Beim Kampf gegen die Entwaldung in Indonesien, gegen mehr Kohle in China und gegen Fracking in den USA. In Deutschland heißt das: Die Energiewende richtig und schnell umsetzen – und sich nicht einreden lassen, das bringe nichts und sei zu teuer. Denn jedes Zehntelgrad vermiedener Erwärmung ist den Kampf wert. Das ist die nicht ganz so schlechte Nachricht.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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