Kommentar Exportgeschäfte: Eine teure Illusion

Viel ins Ausland verkaufen – das wiegt die Deutschen in falscher Sicherheit. In Wahrheit birgt die hohe Ausfuhrquote große Risiken.

Da lacht das deutsche Exportherz – und merkt nicht, wie sein Infarktrisiko steigt. Bild: dpa

Die Deutschen werden gerade in ganz Europa beneidet, denn sie scheinen unverwundbar durch die Eurokrise zu segeln: Während in fast allen Euroländern ökonomische Flaute herrscht, konnten sich die Deutschen immer auf ihre Exportüberschüssen verlassen. Auch viele Bundesbürger sind überzeugt, dass sie die Eurozone eigentlich gar nicht benötigen, weil sie doch die ganze Welt als Absatzgebiet haben. Vor allem die Schwellenländer gelten als unersättlich, wenn es um deutsche Maschinen und deutsches Know-how geht.

Doch nun fallen diese Schwellenländer als Kunden weitgehend aus, weil sich bei ihnen eine neue Finanzkrise anbahnt: Hektische Anleger aus dem Westen ziehen ihr Vermögen aus Brasilien oder Indien ab, da sie fürchten, dass dort eine Blase platzt. Da bleibt natürlich kein Geld übrig, um deutsche Exportwaren zu kaufen.

Plötzlich offenbart sich einmal mehr, wie ungesund der deutsche Exportwahn ist: Bei jeder Finanzkrise sind die Deutschen mittenmang dabei. Die harmlose Variante ist noch, dass nur der Absatz einbricht, weil den ausländischen Käufern das Geld ausgeht. Meist kommt es jedoch schlimmer: Oft sind auch die Kredite futsch, die die Deutschen ihren auswärtigen Geschäftspartnern gewährt haben, damit sie die deutschen Waren überhaupt kaufen konnten. Allein zwischen 2006 und 2012 haben deutsche Anleger 600 Milliarden Euro im Ausland verloren, wie das DIW kürzlich ausgerechnet hat.

Die deutsche Industrie hat vor allem wegen der schwachen Konjunktur in Schwellenländern wie China ihre Exportprognose für das laufende Jahr gesenkt. Die Ausfuhren dürften nur noch um 1,5 bis 2 Prozent wachsen, wie aus dem am Montag veröffentlichten Außenwirtschaftsreport des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hervorgeht. Noch im Juni hatten die Experten ein Plus von 3,5 Prozent veranschlagt. (taz)

Der deutsche Exportwahn ist also teuer. Trotzdem sind die meisten Bundesbürger weiterhin stolz darauf, dass die Ausfuhren 50 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen. Mal sehen, wie viele Finanzkrisen die Deutschen noch miterleben müssen, bis sie verstehen, dass zu viel Export schädlich ist und dass es schlauer wäre, selbst mehr zu konsumieren.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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