Bildung: In Kitas fehlen Flüchtlinge

Nur sechs Prozent der Kinder aus Flüchtlingsfamilien besuchen eine Kita. "Ein unakzeptabler Zustand", sagen die Piraten.

Kita-Kinder Bild: DPA

Auch für Flüchtlinge soll künftig das Jugendamt am Wohnort zuständig sein. So steht es in einem Antrag, den die Piraten vermutlich kommende Woche ins Abgeordnetenhaus einbringen werden. Die Piraten reagieren damit auf die Tatsache, dass nur sechs Prozent der Kinder aus Flüchtlingsfamilien im entsprechenden Alter eine Kita besuchen. „Das ist ein unakzeptabler Zustand angesichts der Tatsache, dass auch die Regierungspartei immer wieder betont, wie wichtig der frühe Kitabesuch für den Bildungserfolg von Kindern ist“, sagt Pirat Fabio Reinhardt.

Für Flüchtlinge ist bisher das Jugendamt zuständig, das sich aus dem Geburtsmonat des Familienoberhauptes ergibt. Wurde das etwa im Januar geboren, ist Pankow für die Ausstellung von Kitagutscheinen zuständig – egal wo die Familie wohnt. Die Regelung wurde vor Jahrzehnten eingeführt, um Kosten gleichmäßig auf die Bezirke zu verteilen: Bezirke sollen nicht mit hohen Kosten dafür bestraft werden, dass bei ihnen viele Flüchtlinge wohnen. Für die Betroffenen ist die Fahrt durch die halbe Stadt allerdings eine Zumutung. Zudem können Jugendämter Eltern nicht bei der Suche nach Kita-Plätzen in anderen Bezirken unterstützen.

Der Senat hingegen sieht kein Problem in dem geringen Kitabesuch von Flüchtlingskindern. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen „Sind Flüchtlingskinder für das Land Berlin Kinder zweiter Klasse“ vom September schiebt die Jugendverwaltung die Schuld auf die Eltern. „Aufgrund der besonderen Lebenslage nach einer Flucht benötigen die Familien häufig Zeit, bevor die Eltern sich für den Kitabesuch der Kinder entscheiden“, steht dort.

Für den Flüchtlingsrat ist die Antwort „einfach nur schäbig“, so dessen Sprecherin Martina Mauer. „Die Senatsverwaltung verweigert sich den Fakten und negiert die Probleme einfach.“ Mauer weiß von vielen Flüchtlingsfamilien, die sich erfolglos um Kitaplätze bemüht haben. Das sieht auch die grüne Jugendpolitikerin Marianne Burkert-Eulitz so. Sie benennt die Probleme: In der Nähe großer Flüchtlingsheime in Marienfelde und Spandau fehlen Kitas. Es gibt Kommunikationsprobleme mit den Ämtern und den Kitaträgern. Den Sozialarbeitern in den Heimen fehlt die Zeit, gemeinsam mit den Eltern und Dolmetschern, die sie extra bezahlen müssten, einen Kitafragebogen auszufüllen. Dazu benötigt man bis zu eineinhalb Stunden. Und dann ist da schließlich noch die Zuständigkeit eines ortsfremden Jugendamtes, das keine Beratung leisten kann.

Für Lichtenberg hat Jugendstadträtin Sandra Obermeyer (Linke) nach einem ersten taz-Bericht zu dem Thema die Ursachenanalyse aufgenommen. „Wir haben gemeinsam mit den Heimträgern beraten. Das Problem ist tatsächlich, dass viele Flüchtlingseltern ihren Rechtsanspruch bei den Kitaträgern nicht durchsetzen können.“ Ihr Jugendamt unterstützt darum seit dem Sommer Flüchtlingseltern bei den Verhandlungen und konnte auf diesem Weg bereits acht Kindern aus Flüchtlingsheimen einen neuen Kitaplatz vermitteln. Lichtenberg gehört allerdings zu den wenigen Bezirken mit ausreichend Kitaplätzen. Obermeyer: „In Lichtenberg gibt es zwar auch die Erfahrung, dass einige Eltern nach den Erfahrungen der Flucht ihre Kinder lieber bei sich als in der Kita haben wollen. Aber das betrifft einen deutlich geringeren Anteil als die 94 Prozent, die keinen Kitaplatz haben.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.