Drakonische Maßnahme: Trotz Attest unentschuldigt

Der Landkreis Cuxhaven droht einem Flüchtling, ihn auf die Straße zu setzen, weil er angeblich eine sogenannte Arbeitsgelegenheit verweigere.

Zucht und Ordnung: Damit hat es die Cuxhavener Kreisverwaltung wohl etwas übertrieben. Bild: dpa

HANNOVER taz | Nur mit anwaltlichem Beistand und einem Eilantrag beim Sozialgericht Stade konnte der somalische Flüchtling M. am Freitag verhindern, dass ihm der Landkreis Cuxhaven sämtliche Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz streicht.

Am Mittwoch hatte das Sozialamt dem Mann in einem Bescheid mitgeteilt, dass es jegliche Hilfe einstelle. Und ihn faktisch auf die Straße gesetzt: Schlüssel für die zur Verfügung gestellte Unterkunft seien „umgehend“ zurückzugeben, heißt es in dem Schreiben. Selbst Kosten für ärztliche Behandlungen wolle der Landkreis nicht mehr übernehmen. M.s behandelnder Arzt sei bereits „entsprechend informiert“, so das Sozialamt weiter.

Die Begründung: M. weigere sich, eine ihm „zur Verfügung gestellte Arbeitsgelegenheit regelmäßig wahrzunehmen“. In eine solche Maßnahme hatte man den Somalier schon kurz nach seiner Ankunft in Cuxhaven gesteckt. Erst im Januar war er nach Deutschland geflohen, Anspruch auf Qualifikationsangebote, Integrations- oder Sprachkurse hat er bislang nicht. Auch einer Erwerbstätigkeit darf er als Asylbewerber nicht nachgehen.

Zu sogenannten Arbeitsgelegenheiten aber – mit 1,05 Euro vergütete gemeinnützige Tätigkeiten – verpflichtet das Asylbewerberleistungsgesetz „arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte“. Lehnen sie unbegründet ab, können ihnen Leistungen gestrichen werden.

M. wurde Mitte April erst zu Niedersachsens landeseigener Hafengesellschaft NPorts geschickt, wo er die Cuxhavener Hafenanlagen pflegen musste. Dann schickte man ihn zum Landkreis direkt, wo er den Parkplatz und die Grünanlagen der Verwaltung säubern musste.

Und dort, so legt man ihm zur Last, erschien er unregelmäßig. Dass M. für Fehltage meist eine ärztliche Krankschreibung hatte, schreibt das Sozialamt zwar selbst in seinem Bescheid, weil er die Atteste aber nicht gleich am ersten Fehltag vorlegte, ist dennoch von „unentschuldigtem Fernbleiben“ die Rede. Tatsächlich liegt der Behörde lediglich für zwei Tage noch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.

Dass man den Flüchtling deshalb auf die Straße setzen wollte, hält nicht nur Niedersachsens Flüchtlingsrat für eine „drakonische Maßnahme“. M.s Anwalt spricht von verfassungswidrigem Handeln. Er bezweifelt nicht nur, dass der Flüchtling tatsächlich gegen die Arbeitspflicht verstoßen habe, das Streichen aller Leistungen verletze zudem die Menschenwürde.

Das sieht die Spitze der Cuxhavener Sozialbehörde inzwischen offenbar ähnlich. Das Amt lenkte ein, noch bevor sich das Sozialgericht Stade mit dem Fall befassen konnte. Dort hatte M.s Anwalt Eilantrag gegen die Leistungseinstellung eingereicht. „Wir haben entschieden, den Bescheid zurückzunehmen“, erklärte Amtsleiterin Sabine Sprunck am Freitag auf Nachfrage. Und beteuerte, der Umgang mit M. sei „nicht der generelle Ton des Landkreises gegenüber Leistungsempfängern“.

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