Christa Goetsch über die Sophienterrassen: „Es wird nie reichen“

Die Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen fordert, an der früheren Generalkommandantur der Wehrmacht einen Erinnerungsort zu schaffen.

Luxusleben, wo einst die Militärs ein und aus gingen: So soll die einstige Generalkommandantur in Zukunft aussehen. Bild: Frankonia Eurobau

taz: Frau Goetsch, Sie würden gerne die ehemalige Wehrmachtskommandantur auf dem Gelände der Sophienterrassen zu einem Erinnerungsort machen – dem 76. in Hamburg. Ist das nicht ein bisschen viel?

Christa Goetsch: Man darf hier nicht von der Menge ausgehen. Es geht darum, dass an die Geschichte dieser Zeit angemessen erinnert wird und dass die ehemalige Generalkommandantur deshalb ein öffentlich zugänglicher Ort sein sollte. Wir sagen ja auch nicht bei den Stolpersteinen oder bei anderen Orten, die erst nach 70 Jahren ins öffentliche Bewusstsein gedrungen sind, dass es jetzt reicht. Ich glaube, dass es nie reichen wird, an die Nazizeit zu erinnern.

Das Gebäude des ehemaligen Generalkommandos des X. Armeekorps der Wehrmacht soll im Zuge des Projekts "Sophienterrassen" in ein Appartementhaus mit Luxus-Wohnungen umgebaut werden. Das dazu gehörende Quartier in Harvestehude soll nur betreten können, wer sich vorher bei einem Sicherheitsdienst anmeldet. Bis 2005 nutzte die Bundeswehr das Gebäude des ehemaligen Generalkommandos als Standortkommandantur. 2006 wurde es an den Investor Frankonia verkauft.

Unter den Denkmalschützern war der Umbau der Kommandantur umstritten. Das Gebäude wurde weitgehend entkernt, zwei mächtige Adler über dem Hauptportal wurden abgebaut und die Fassade soll umgestaltet werden. Doch an die große Glocke hängte das Denkmalschutzamt seine Einwände nicht. Das Gebäude steht seit 2000 unter Denkmalschutz.

Würde nicht eine Tafel genügen wie an der ehemaligen Stadtentwicklungsbehörde, die einmal das Hauptquartier der Hamburger Gestapo war?

Die Diskussion über das geplante Deserteurs-Denkmal oder den ehemaligen Hannoverschen Bahnhof, von dem aus deportiert wurde, zeigt, dass es Möglichkeiten jenseits einer Plakette gibt, so etwas zu gestalten – etwa indem man interaktive Angebote schafft. Es gibt ganz interessante neue Formen, mit denen der Geschichtsvergessenheit begegnet werden kann. Grundsätzlich geht es darum, diesen Ort nicht auszulöschen. Deshalb unser Antrag.

Was sollte konkret von der ehemaligen Kommandantur übrig bleiben: der Festsaal, die Säulenhalle, die Adler auf dem Dach?

Es ist despektierlich, wie Sie das fragen. Wir wurden durch einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung aufmerksam. Der hat gezeigt, dass die Fachleute auf dem Gebiet der Erinnerungskultur und der Denkmalschutz 2006 nicht miteinander kooperiert haben. Jetzt gibt es nur noch die Chance, dass man zumindest auf das aufmerksam macht, was aus der Kommandantur heraus passiert ist.

61, beschäftigt sich als Mitglied der grünen Bürgerschaftsfraktion mit Kultur- und Religionspolitik. 2008 bis 2010 war sie Zweite Bürgermeisterin.

So viel man weiß, wurden im Gebäude selbst aber keine Verbrechen begangen.

Sicher anders als im Gestapo-Hauptquartier, aber es gab Anordnungen zu Verbrechen.

Das Gestapo-Hauptquartier soll ja gerade umgebaut werden. Wie wird dort ein angemessener Umgang mit der Geschichte sichergestellt?

Soweit ich weiß, wird für das Gestapo-Hauptquartier in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Neuengamme an einem Erinnerungskonzept gearbeitet.

Sie fordern, die Kommandantur solle ein „öffentlich zugänglichen Erinnerungsort“ werden. Wie stellen Sie sich das genau vor?

Es handelt sich heute um ein Privatgelände. Daher muss eine Möglichkeit geschaffen werden, dass Besucher, die nicht ihre Wohnung in diesem Gebäude haben, das sehen können. Es geht darum, von der Straße her einen Zugang zu öffnen, um die Geschichte des Hauses lesen zu können. Wenn der Senat mit dem Investor Kontakt aufnähme, würde dieser sich sicher bewegen lassen.

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