Vater Mundlos beim NSU-Prozess: „Mein Sohn war kein Rechter“

Im Verfahren gegen Beate Zschäpe malt der Vater des toten NSU-Mitglieds Uwe Mundlos ein schöngefärbtes Bild seines Sohnes. Richter Götzl ist erbost.

Geriet zwischenzeitlich mit dem Richter aneinander: Siegfried Mundlos. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Beim fortlaufenden Prozess in München gegen Beate Zschäpe nahm der Vater des toten NSU-Mitglieds Uwe Mundlos seinen Sohn in Schutz. Im Streit mit dem Vorsitzenden Richter griff er Sicherheitsorgane und Presse an. Nicht ohne zu betonen: „Ich bin auch Verletzter.“

Im Oberlandesgericht München ließ Siegfried Mundlos am Mittwoch keine Gelegenheit aus darzulegen, wer Opfer sei: sein Sohn, seine Familie und er selbst. Am 69. Verhandlungstag machte der pensionierte Informatikprofessor aus Jena Mauerfall, Geheimdienste, Staatsanwaltschaft und Presse als Ursachen der Entwicklungen seines Sohnes aus. Im Verfahren gegen die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe trat der Vater erstmals als Zeuge auf. Der Bundesanwalt hält dem Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe vor, zehn Menschen getötet zu habe.

Am Vormittag gerieten im Saal A 101 der Vorsitzende Richter Manfred Götzl und Mundlos sofort aneinander. Denn Mundlos wollte eine Erklärung abgeben, da er sich „15 Jahre anhören musste, dass es eine Bombenwerkstatt gegeben hätte – was aber nicht stimmt“.

Götzl intervenierte und fürchtete offensichtlich, dass der 67-Jährige von einer Verschwörung der Geheimdienste reden wollte. Er ermahnte Mundlos, Aussagen zu seinem Sohn zu machen. „Vor 1990 war mein Sohn kein Rechter – kein Fascho“, sagte Mundlos, bemüht, das eigene Kind gut darzustellen.

Mit seinem zwei Jahre älteren behinderten Bruder sei Uwe M. liebevoll umgegangen, Arbeitslosigkeit hätte ihn den „Rattenfängern“ in die Hände gespielt. Er selbst, sagte der Vater, hätte versucht, Uwe und seine damalige Freundin Beate von der rechten Szene fernzuhalten. 1992 hätte er sie zum Campen nach Krakow am See gefahren.

Der Vater dachte, Zschäpe wäre Linke

Auch nach der Trennung von Beate 1994 hätten Beate und Uwe Böhnhardt, Zschäpes neuer Freund und drittes NSU-Mitglied, seinen Sohn fast jedes Wochenende abgeholt – zu Konzerten, Aktionen und anderen Veranstaltungen. Uwe Mundlos machte damals in Ilmenau Abitur. Sein Sohn hätte „kein böses Wort“ über den anderen Uwe, seinen „Nachfolger“, gesagt. Was die drei an den Wochenenden machten, habe der Vater allerdings nicht gefragt.

Götzl indes fragt nach, er will etwas über die politische Einstellung des jungen Mannes erfahren. Sein Sohn sei sehr sozial und auch naiv gewesen, sagte der Vater. Von politischen Einstellungen wollte er nicht groß reden. Dass sein Sohn dem inhaftieren Blood-and-Honour-Kader Thomas Starke schrieb, habe er als „Sozialarbeit“ eingestuft. Von Zschäpe habe er gedacht, sie wäre „links“: „Sie war nicht rechts. Sie war ein Mädchen, das gerne in die Disco ging.“

Einen Angriff seines Sohnes auf einen „jungen Mann“ spielte er herunter. Ein Propagandaverfahren stellte er als „völlig überzogen“ dar. Immer wieder versuchte der frühere Professor zu betonen, dass vor allem Tino Brandt, V-Mann und Führer des „Thüringer Heimatschutzes“, Leute in die rechtsextreme Szene gezogen hatte. Auch seinen Sohn Uwe. Mit dem Geld des Verfassungsschutzes habe er sie gewinnen können: Er bezahlte Fahrten und richtete Konzerte aus.

„Sie können den Verfassungsschutz nicht aus diesem Verfahren ausgliedern“, sagte er zum Bundesanwalt. Aber auch Böhnhardts Mutter sprach Vater Mundlos Schuld an den rechtsextremen Verstrickungen seines Kindes zu.

Deren Sohn sei „wirklich ein gefährlicher Mensch“ gewesen. Bei dieser Aussage gerieten Götzl und Mundlos immer wieder aneinander. Kaum hatte Götzl wissen wollen, warum er seinen Sohn wegen Böhnhardt und dessen politischer Einstellungen nicht stärker ansprach, fauchte Mundlos zurück: „Sie sind ein kleiner Klugsch …" Erst am späten Nachmittag ringt er sich doch noch durch, auch den Opfern sein Mitgefühl auszusprechen. „Ich kann den Verlust tief mitempfinden.Zehn tote Menschen seien zu beklagen“, sagt er und schob nach: „12 Menschen“. Eine unbewusste Gleichsetzung der Täter mit den Opfern.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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