Hormonbehandlung bei Schweinen: Ferkel feiern zeitgleich Wurffest

Landwirte geben Sauen Präparate, um Eisprung und Geburtstermine „gleichzuschalten“. Das Umweltbundesamt fürchtet Schäden für die Natur.

Moderne Landwirtschaft: Sauen werden stimuliert, immer mehr Ferkel zu werfen. Bild: dpa

BERLIN taz | Sauen in der konventionellen Fleischerzeugung werden einer neuen Studie zufolge systematisch Hormone verabreicht. „Der Medikamenteneinsatz führt dazu, dass alle Tiere im gleichen Zeitraum gebären“, sagte am Montag Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Untersuchung in Auftrag gegeben hat.

„So lassen sich die Arbeitsprozesse rationalisieren. Gerade industrialisierte Betriebe wollen zum Beispiel, dass am Sonntagabend niemand da sein muss, um die Ferkel zu betreuen.“ Zudem würden die Sauen stimuliert, mehr Ferkel zu werfen. Der BUND sieht in dem Hormoneinsatz vor allem ein mögliches Risiko für die Umwelt. Zudem würden die Tiere über ihre körperlichen Grenzen getrieben.

„Große Anlagen setzen pro Sau mehr Hormone ein als kleine Betriebe“, ergänzte Benning. Das zeige die Fachliteratur, die Professor Bernhard Hörning von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung im brandenburgischen Eberswalde im Rahmen der Studie ausgewertet hat. Besonders moderne Zuchtbetriebe seien so gebaut, dass immer beispielsweise 200 oder 300 Sauen am gleichen Tag ferkeln müssen. „Sonst reicht der Stall nicht aus.“

Derzeit liegen der Umweltschützerin zufolge keine Angaben darüber vor, wie viele Sauen hormonbehandelt werden. „Unsere Studie liefert aber Indizien dafür, dass der Einsatz massiv ist. Das müssen die Behörden nun mit Daten und Fakten hinterlegen.“

Brunstsynchronisation der Jungsauen

Die übermäßiger Nähe zu Umweltorganisationen unverdächtige Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat bereits 2011 festgestellt, dass „die hormonelle Brunstsynchronisation der Jungsauen in vielen größeren Sauenanlagen in den neuen Bundesländern“ einen „Stammplatz“ habe. In Niedersachsen befassten sich „vorwiegend größere Bestände“ mit dieser „Gleichschaltung“.

Auch das Umweltbundesamt sieht den Hormoneinsatz in der Tierhaltung kritisch. Denn ein Teil der Hormone wird von den Sauen ausgeschieden und kommt über die Gülle in die Natur. „Heute gibt es Studien, dass die Hormonmengen, die in die Umwelt gelangen, schon unterhalb der bestehenden Schwellenwerte schädlich sind für Amphibien und für Fische“, sagte Behördensprecher Stephan Haufe der taz. Schon solche geringen Dosen störten die Ausbildung von Geschlechtsorganen und die Fortpflanzung.

Der BUND behauptet nicht, dass die Hormone aus der Tierhaltung die menschliche Gesundheit schädigten. Er verlangt aber mehr Kontrollen auf Rückstände im Fleisch der behandelten Sauen. Zudem müsse Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Zyklussteuerung konventioneller Sauen per Hormongabe wie in der Biohaltung verbieten. Zur Wachstumsförderung ist sie bereits untersagt. „Wir haben schon jetzt 16 Prozent Überproduktion bei Schweinefleisch. Deshalb ist es nicht nötig, dass Sauen zu solchen Höchstleistungen gezwungen werden“, argumentierte Benning.

Das Ministerium ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme unbeantwortet. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter stellte die Hormongaben als Maßnahme im Sinne des Tierschutzes dar: Sauen einer Gruppe müssten „in einem engen Zeitfenster“ abferkeln, damit die Betriebe die Geburten gut genug überwachen könnten „und so die Zahl der Ferkelverluste bei der Geburt verringert werden kann“. Zudem könnten nur so die Stallbuchten, „konsequent“ gereinigt und desinfiziert werden. Was mögliche schädliche Umweltwirkungen angehe, fehlten Fakten.

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