Prokon droht mit Insolvenz: Auf den Genuss folgt die Reue

Die Insolvenzdrohung des umstrittenen Ökoenergie-Konzerns schockiert rund 75.000 Anleger. Auf dem Spiel stehen 1,4 Milliarden Euro.

Solvent oder nicht, die Windräder kümmerts nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Hoffnung Tausender Kleinanleger, mit Windkraft und wenig Risiko schnell viel Geld zu verdienen, hat sich schlagartig in Luft aufgelöst: Am Samstag warnte der Ökoenergie-Konzern Prokon wegen akuter Zahlungsschwierigkeiten vor einer drohenden Insolvenz noch im Januar. Zu viele Anleger hätten in den vergangenen Monaten ihr Geld zurückgefordert.

Der Konzern aus Itzehoe, dessen Hauptgeschäft die Planung und der Bau von Windenergieanlagen ist, hat mit hohen Zinsversprechen rund 1,4 Milliarden Euro Kapital bei knapp 75.000 Kleinanlegern eingesammelt.

In einem Schreiben auf der Prokon-Homepage heißt es, eine baldige Insolvenz könne nur verhindert werden, wenn die Halter von 95 Prozent des Genussrechtskapitals zusagen, dass sie ihre Einlagen bis Ende Oktober nicht kündigen.

Prokon betreibt nach eigenen Angaben 54 Windparks. Finanziert wurden diese Investitionen überwiegend mithilfe kurzfristiger Einlagen von Kleinanlegern, die Prokon als sogenannte Genussrechte verbrieft. Anlegerschützer warnen schon lange vor diesen Produkten. Stiftung Warentest führt die Prokon-Genussrechte auf seiner Warnliste.

Schlimmstenfalls der Totalverlust

Das Unternehmen hat seine Genussrechte als „rundum sichere Sache“ und als „so sicher wie eine Spareinlage“ beworben. Tatsächlich ist diese Anlageform sehr riskant. Prokons Genussrechtsbedingungen sehen vor, dass den Anlegern bei einer Insolvenz im schlimmsten Fall der Totalverlust ihrer Einlage droht.

Ansprüche aus Genussrechten werden „nachrangig“ behandelt – also nur beglichen, nachdem alle anderen Gläubiger bedient wurden.

taz-Recherchen hatten bereits vor vier Jahren belegt, dass Prokon mit dem Genussrechtskapital seiner Anleger unrentable Tochterfirmen vor der Pleite rettete. Prokon-Anleger Klaus Boe warf dem Unternehmen im Februar 2010 in der taz vor: „Prokon betreibt ein Schneeballsystem, das in wenigen Jahren komplett crashen und zu einem der größten Skandale der deutschen Windbranche werden könnte“. Investoren waren also gewarnt.

Auch die jüngste Eskalation zeichnete sich schon länger ab, weil Prokon mit jährlich 8 Prozent Zinsen seit Jahren weit mehr Geld ausschüttet, als der Konzern tatsächlich verdient. So geht aus einem Entwurf für den Jahresabschluss 2012 hervor, dass das Eigenkapital des Konzerns und der Genussrechtsgesellschaft bereits Ende 2012 negativ war. Für die Verluste müssen letztlich die Inhaber der Genussrechte geradestehen.

Keine Überraschung

Anleger reagierten offenbar alarmiert auf die Warnzeichen und kündigten in Scharen ihre Einlagen, die in der Regel nur eine vierwöchige Kündigungsfrist haben. Der Verkauf neuer Genussrechte brach seit September 2013 im Vergleich zu den Vormonaten um 90 Prozent ein.

Überraschend kommt die Krise nicht. Bereits am Freitag sagte Fachanwalt Thorsten Geißler aus Jena der taz: „Ich gehe davon aus, dass hier bald ein Insolvenzverfahren ansteht. Die Unternehmenszahlen lassen keine andere Auslegung zu.“

Geißler rät Prokon-Anlegern, „alle Schritte einzuleiten, um vor der Insolvenz an ihr Geld zu kommen“. Eine Sanierung hält Geißler nur für möglich, wenn die Gläubiger massiv auf Forderungen verzichten.

Zum Vorbild könnte der Konzern Solarworld werden. Der Solarmodulhersteller ist im vergangenen August der Insolvenz nur knapp entgangen, weil dessen Anleger auf mehr als 90 Prozent ihrer Forderungen verzichteten.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz kritisiert, Prokons Ankündigung wirke auf Anleger „schlichtweg wie eine klassische Erpressung“. Jenseits seiner „Rundbriefe“ geht der Konzern auf Tauchstation. In der vergangenen Woche meldete sich in der Prokon-Zentrale in Itzehoe nur noch ein Anrufbeantworter.

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