Die Heiterkeit mit neuem Album: Fast schon Kalifornien

Nun erscheint „Monterey“, das neue Album der Hamburger Band. Die Heiterkeit zeigt einen rundum erneuerten Sound, inklusive No-Nonsense-Attitude.

Stilleben mit Die Heiterkeit. Bild: Alina Simmelbauer/promo

Das heiß erwartete zweite Album von Talenten, das beweisen viele Beispiele, geht leicht daneben. Mal wird versucht, exakt den erprobten Sound des Debüts beizubehalten. Dann ist es schlicht langweilig. Oder es werden krude Experimente gewagt, die nur nach erzwungener musikalischer Entwicklung klingen. Dann kann es richtig böse werden. Es erleichtert, dass Die Heiterkeit es besser wissen, und zugleich verwundert es auch kein bisschen.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2012 hatten die drei Musikerinnen Die Heiterkeit ihr Debütalbum „Herz aus Gold“ veröffentlicht und es durch wohlplatziertes Schweigen geschafft, dass ihre Musik allseits hibbelig erwartet wurde.

Ganz schön mutig für eine junge Band, die biertrinkend in Hamburger Kneipen Freundschaften zu anderen Musikern knüpfte. Aber die Strategie funktionierte. „Herz aus Gold“ und Die Heiterkeit wurden zu Kritikerlieblingen. Unter den HörerInnen dagegen fielen die Reaktionen polarisierter aus. „Die kann ja gar nicht singen“, „Das Schlagzeug ist nicht zum Streicheln da“, solche Sätze mussten sich die drei Hamburgerinnen zunächst gefallen lassen.

Die Heiterkeit: „Monterey“ (Staatsakt/Rough Trade)

Live: 12.3. Berlin "Privatclub", 13.3. Hamburg "Goldener Salon/Hafenklang"; 10.4. Dresden "OstPol"; 13.4. München "Feierwerk"

Wirklich gejuckt hat das die Band nicht. Bereits die ersten Liveauftritte fanden in wichtigen Clubs statt. Auf der Bühne sah man drei durchaus zugewandte, aber unaufgeregte junge Frauen, die aussahen, als wäre das alles ein piece of cake. Vergeblich hätte man auf überschwänglichen Dank oder hastig gesäuselte Aufforderungen, doch bitte das Album zu kaufen, gewartet.

Nun sind sie zurück in veränderter Besetzung: Stella Sommer und Rabea Erradi, Gesang, Gitarre und Bass, sind geblieben. Schlagzeugerin Stefanie Hochmuth verließ Die Heiterkeit im Mai, kurz vor der Aufnahme des neuen Albums. An ihre Stelle ist Anna-Leena Lutz, eine Freundin Erradis und Sommers und vorher Schlagzeugerin bei der Berliner Indie-Pop Band Half Girl, getreten. Eine Lokalband wollten Die Heiterkeit nie sein. Und nun sind sie auch endgültig keine Hamburger Band mehr: Die drei leben mittlerweile auf Hamburg, Berlin und Leipzig verteilt und treffen sich zum Proben in der Hauptstadt.

Bewusst übertreiben

Den Hamburger-Schule-Sound wird man dennoch weiter assoziieren, wenn im Februar das neue Album „Monterey“ erscheint. Die Heiterkeit haben sich für die Produktion Moses Schneider ins Boot geholt, der vor allem für seine Zusammenarbeit mit Tocotronic bekannt ist. Mit ihnen werden Die Heiterkeit auch oft verglichen. „Monterey“ bewahrt sich diese Nähe, bewegt sich aber auch davon weg. Schneider sei mit dem dezidierten Anspruch in die fünftägige Aufnahmephase gegangen, „es soundmäßig so richtig zu übertreiben“, wie Sommer sagt.

So gesellt sich auf „Monterey“ ein vom Touch her schneidender New Wave zum vom Debüt her bekannten Signatursound von E-Gitarre, Schlagzeug und Bass. Es klingt konzeptueller als bei „Herz aus Gold“. Die zehn Songs halten mit Overdubs, Hall und melodischen Basslines weitaus mehr musikalische Brüche bereit. Trotzdem wurde auf Subtilität geachtet, sodass die neuen Stücke nicht over the top klingen. Immer noch ist da Sommers unkonventioneller Gesang, einen Tick tiefer als eigentlich nötig. Immer noch sind da ihre schwer greifbaren Texte, denen inhaltlich zu folgen Probleme bereitet.

Durch das Album zieht sich eine Ästhetik des Ungefähren, musikalisch wie textlich. Mal klingt ein Lied fast melancholisch, fast kitschig, dann schlägt es plötzlich um in Frohsinn. „Pauken und Trompeten“ könnte fast als Liebeslied durchgehen. „Du liebst mich immer noch / Wie am ersten Tag / Und wenn ich will / Lässt es niemals nach.“ Aber nein, so recht glücklich mag das dann doch nicht rüberkommen.

Von Fern fühlt man sich im Refrain von „Wässere mich“ gar an einen Schlager erinnert: „Du siehst vertrocknet aus / Und kommst, weil ich dich brauch / Komm wässere mich / Mit einer Träne von dir.“ Wäre da nicht das hinterlistige Wörtchen „vertrocknet“ und vor allem Sommers unaufgeregte Stimme, die so betont unbeteiligt singt.

Aus dem Zusammenhang, in den Kontext

„Ich finde es interessant, Dinge aus ihrem Kontext zu reißen und sie neu zu kombinieren“, erklärt die Sängerin und Gitarristin. Dahinter steckt auch eine Absage an Authentizität und den Gedanken, dass Texte im stillen Kämmerlein als Ausgeburten eines vermeintlich geniehaften Geistes entstehen. „Monterey“ verschleiert seine Zitathaftigkeit nicht, bezieht seine Originalität aus der Neuzusammensetzung von Inspirationsquellen.

Der Song „Die ganzen müden Pferde“ etwa ist eine Hommage an Bob Dylans „All the tired horses“, aber nicht im ehrfürchtig-bewundernden Sinn: „Ich finde Dylans Song überraschend schwach“, sagt Sommer, „und dachte, das kann ich besser machen.“

Keine Angst vor den Großen, Lässigkeit und eine gesunde Portion Selbstironie – diese Kombination hat sich für Die Heiterkeit schon bei ihrem Debüt bewährt. Da streuten sie ebenso konsequent wie nebenbei die kalifornische Band Pavement als Einflussgröße ein, bis wirklich jeder von Sommer als weibliche und deutsche Version von Stephen Malkmus schrieb.

Doch große Würfe muss man sich leisten können, sonst wird es schnell lächerlich. Ihr Album „Monterey“, benannt nach der Stadt in Kalifornien, die sich Die Heiterkeit von der Landkarte pickten, kann es sich leisten. 2014 jedenfalls würde ein gutes Jahr werden, wenn alles so ist, wie auf „Monterey“: Das Gute bewahrend, das Neue und Erweiternde umarmend.

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