Kommentar Folgen der Edathy-Affäre: Die Krise geht tiefer

Das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie wird durch die Edathy-Affäre erschüttert. In der Koalition gibt es eine Vertrauenskrise – Merkel schweigt.

Mund zu, Augen auf: Angela Merkel im Schloss Bellevue. Bild: reuters

Was sagt eigentlich die Kanzlerin zur Edathy-Affäre? Ist sie entsetzt über jene Fotos, die der einstige SPD-Abgeordnete wie Bücher, Werkzeug oder Spielzeug im Internet geordert hat? Findet sie, ihr zurückgetretener Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich sei ein Opfer seiner Schwatzsucht geworden, als er SPD-Parteichef Gabriel über die Vorgänge um Edathy ins Bild setzte? Ist sie der Ansicht, ihre schwarz-rote Regierungskoalition sei möglicherweise doch die falsche Entscheidung gewesen? Wir wissen es nicht.

Dass wir es nicht wissen, darf getrost als Beweis dafür gelten, dass binnenpolitisch alles planmäßig läuft. Jedenfalls wenn man eine Antwort sucht auf die Frage, wie groß jene Krise überhaupt ist, über die seit Tagen berichtet wird. Solange Merkel sich nicht genötigt sieht, zu den Vorgängen eine persönliche Erklärung abzugeben, solange sie ihren Regierungssprecher fest abgezirkelte Formulierungen sagen lässt – so lange gibt es keine handfeste Regierungskrise.

Wohl aber gibt es eine Vertrauenskrise. Und zwar nicht nur zwischen Unionsfraktion und Sozialdemokraten im Parlament, von denen beide Seiten Schwarz-Rot ohnehin stets als Vernunftehe bezeichnet hatten. Nein, diese Krise geht tiefer. Die Edathy-Affäre rührt an das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die parlamentarische Demokratie. Mal wieder.

Je mehr Einzelheiten über Abläufe und Zusammenhänge ans Licht kommen, desto mehr gilt es an der moralischen Integrität der Politikerinnen und Politiker zu zweifeln. Es geht beileibe nicht nur um die Frage, was in einem Abgeordneten vorgehen mag, der aus seinem Bundestagsbüro heraus Fotos nackter Kinder kauft. Es steht auch der Verdacht im Raum, dass das Wissen darum instrumentalisiert wurde, um Schaden von einer künftigen Regierungsfraktion abzuwenden. Und mit jeder neuen Schuldzuweisung wächst zu Recht das Misstrauen, ob die Wähler auf eine rückhaltlose Aufklärung zählen können.

Zu all dem schweigt Angela Merkel. Akribisch sorgt ihr Apparat dafür, dass nicht der Schatten eines Verdachts auf die Regierungschefin fällt. Schwer vorstellbar, dass sie erst am Dienstag letzter Woche von der Edathy-Affäre erfahren hat. Aber das ist jetzt die Informationslinie. Sollte sie verlassen werden müssen, wäre sie doch noch da – die Regierungskrise.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.